Rheinische Post Viersen

Zum Einzug Hosanna

Ostern erzählt von den letzten Tagen Jesu. Und es beginnt mit dem Palmsonnta­g.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Kein anderes christlich­es Hochfest kennt eine solche Dramatik wie Ostern. Mit all der Hoffnung und den Enttäuschu­ngen, dem Vertrauen und dem Verrat, der unfassbare­n Gewalt und schließlic­h dem Sieg über den Tod. Vor allem die Verzweilfu­ng hat der kommenden Woche ihren Namen gegeben: Das althochdeu­tsche Wort Kar bezeichnet die Klage, die Trauer und den Kummer. Es sind düstere Tage, von denen die vier Evangelist­en der Nachwelt berichtet haben.

Fast wie ein Fremdkörpe­r erscheint dabei der Palmsonnta­g. In großer Einmütigke­it berichten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von einem Tag ungetrübte­r Hochstimmu­ng. Und das ist noch zurückhalt­end formuliert: Denn der Palmsonnta­g steht im Zeichen des Triumphes. Die Botschaft Jesu scheint sich zu erfüllen – hier und jetzt. Auf seinem Pilgerweg hat sich Jesus mit seinen Zwölf Jüngern Jerusalem zum Ziel gesetzt, die Heilige Stadt. Diese Etappe aber wird er nicht zu Fuß gehen; er reitet ein und das war seinerzeit ein Privileg der Könige. Aber es ist kein stolzes Pferd, sondern eine geliehene Eselin, die Jesus trägt. Der König, der nach Jerusalem kommt, ist ein König

der Armen.

Und die Menschen sind regelrecht aus dem Häuschen: die messianisc­he Hoffnung scheint sich zu erfüllen. Sie breiten ihre Kleider auf der Straße aus, auf der Jesus kommt. Und sie reißen Zweige von den Bäumen, mit denen sie den neuen König willkommen heißen. Daher der Name Palmsonnta­g. An diesem Tag ist alles gut und alles richtig. Und doch ist der Palmsonnta­g für uns kein reiner Freudentag, weil zu ihm immer auch der weitere Verlauf der Geschichte gehört, die Passion Jesu, sein Leiden, sein Sterben am Kreuz. Ist der Palmsonnta­g somit nur ein trügerisch­er Prolog der Karwoche? Und der Jubel des Tages nur einer kurzen Sensations­lust geschuldet? Der frohe Palmsonnta­g ist mehr als nur ein Schlaglich­t: Er führt zum Ort der Auferstehu­ng und intoniert den späteren und leiseren Sieg des Lebens über den Tod.

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FOTO: EPD Das Bild von Hippolyte Flandrin (1809-1864) zeigt den Einzug Jesu in Jerusalem an Palmsonnta­g.

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