Bayerische Fürsten regierten am Niederrhein
1650 trat Maximilian Heinrich Herzog von Bayern sein Amt als Kurfürst und Erzbischof von Köln an und wurde damit Landesherr auch in Kempen, Oedt, St. Tönis und Willich.
KREIS VIERSEN Zwei Jahrhunderte lang herrschten bayerische Fürsten am Rhein. In Düsseldorf, der Residenzstadt des Doppelherzogtums Jülich-Berg, kam 1614 Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm aus dem Hause Pfalz-Neuburg, einer wittelsbachischen Nebenlinie, zur Regierung. Bis in die napoleonische Zeit schwangen hier bayerische Prinzen das Zepter. Im Kurfürstentum Köln mit der Residenzstadt Bonn hatten die Wittelsbacher 178 Jahre lang, von 1583 bis 1761, das Sagen. Das hatte große Auswirkungen auf ihre Länder, denn zeitweise gingen sie außenpolitische Wege andere Wege: zugunsten Frankreichs.
1650, vor 370 Jahren, übernahm Maximilian Heinrich Herzog von Bayern die Krone des Kölner Kurfürsten. 1621 in München geboren, hatte er eine Erziehung im Sinne der Gegenreformation genossen, die keinen Zweifel daran ließ, dass die katholische Kirche die allein seligmachende war.
In der zeitgenössischen Adelskirche bestimmten die von gräflichen und fürstlichen Familien besetzten Domkapitel, wer das Land geistlich und weltlich zu regieren hatte. Pfründenhäufung war an der Tagesordnung. Das war auch im Kölner Kurstaat so, der freilich weit kleiner war als das Erzbistum Köln. Entlang des Rheins von Rheinberg bis an den Mittelrhein war der Kölner Erzbischof und Kurfürst weltlicher Landesherr. Den Gipfelpunkt wittelsbachischer Machtdemonstration am Rhein stellte auf kulturellem Gebiet der letzte Bayernprinz als Kölner Kurfürst dar: Clemens August, der Erbauer des prachtvollen Barockschlosses Augustusburg in Brühl.
Im Unterschied zu vielen seiner zeitgenössischen geistlichen Fürsten ließ sich Maximilian Heinrich zum Priester weihen. In Kempen und den anderen zum Kölner Kurstaat gehörenden Orten (St. Tönis, Vorst, Neersen, Schiefbahn, Anrath, Willich und Oedt) war Maximilian Heinrichs Regierungsantritt von einer langsamen Erholung von den Strapazen des zwei Jahre zuvor zu Ende gegangenen Dreißigjährigen Krieges bestimmt. Zugleich lag ein Hauch von Stagnation besonders über Kempen. Die rigide Konfessionspolitik seines Vorgängers hatte wirtschaftlich und kulturell tragende Familien aus Kempen weichen lassen.
Der Kurfürst selbst stellte 1664 fest, dass wegen der vielen abgebrochenen, niedergebrannten und verwüsteten Häuser „das Aussehen der Stadt Kempen sehr abgenommen hat“. Die Zahl der Neubürger war rückläufig. Besonders die Abwanderung mennonitischer Familien erwies sich als nachteilig für die Stadt.
Eine glückliche Überlieferung lässt einen tiefen Blick in das Verhältnis des Kurfürsten und seiner Untertanen zu. Die nach der Amtseinführung eines neuen Landesherrn
übliche Huldigung durch die Untertanen fand in Kempen im Jahre 1652 statt. Über diesen Vorgang liegt ein detaillierter und zuverlässiger Bericht des Stadtsekretärs Aegidius Wilmius vor. Kurfürst Maximilian kam persönlich nach Kempen. Die gegenseitige Eidesleistung war ein Akt auf Gegenseitigkeit. Der Kurfürst versprach „Stadt und Amt Kempen samt den Eingesessenen nicht allein bei ihren alten Privilegien, Rechten und Herkommen zu lassen, sondern ihnen fernere Gnade zu erweisen.“Ihrerseits wollten die Kempener „ihrer kurfürstlichen
Durchleucht als unserm rechten wahren Herrn, getreu und holt sein und bleiben und sonsten dasjenige tun, was treugehorsamste Untertanen ihrem Landesfürsten zu tun schuldig, so wahr uns Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“
Alles dies fand umrahmt von viel Feierlichkeit statt. Freilich gab es einen Missklang. Bisher war es üblich gewesen, dass die Huldigung auf dem Marktplatz stattfand und nicht vor dem Schloss, zwei verschiedene Rechtsbezirke. Der Kurfürst, der von der Huldigung in Dorsten nach Kempen kam, hatte es abgelehnt, dass das „Theatrum“, also die Bühne, auf dem Marktplatz errichtet wurde, und darauf bestanden, dass dies in seinem Machtbereich im Schlossvorhof stattfand, obwohl das Theatrum schon auf dem Markt errichtet war. Im Bericht des Stadtsekretärs heißt es: „Ihre Durchleucht wollten nicht auf dem Markte stehen wie ein Quacksalber, Mauldrescher und Zahnbrecher“. Die Kempener leisteten den Treueid und verehrten dem Kurfürsten einen in Köln gefertigten wertvollen Pokal mit der Inschrift „Stadt und Amt Kempen“.
Mit der Anlehnung an Frankreich verband sich die Hoffnung, das von den Holländern besetzte Rheinberg zurückzugewinnen. 1672 traf Maximilian Heinrich sogar Ludwig XIV. in Neuss.
KREIS VIERSEN (plp) Hansgeorg Molitor, der ehemalige Düsseldorfer Ordinarius für rheinische Geschichte, hat in Band 19 der Reihe „Rheinische Lebensbilder“Biografie und Wirken des Kurfürsten Maximilian Heinrich aufgezeigt und gewürdigt. Er betonte, was auch für die kurkölnischen Orte im heutigen Kreis Viersen wichtig war, die Vielzahl innovativer Regelungen zum Beispiel im Rechts- und Steuerwesen sowie im Wirtschaftsleben. Maximilian Heinrichs Regierungszeit war lang, von 1650 bis 1688. Sie prägte ein wesentliches Stück weit die Entwicklung des Kurstaates zu einem absolutistischen Staat, was auch mit der Orientierung an Frankreich zu tun hatte.
Und damit ist ein wichtiger Bestandteil von Maximilian Heinrichs Regierung angesprochen: seine außenpolitische Hinwendung nach
Frankreich, zu König Ludwig XIV. Diese waghalsige Politik des Kölner Kurfürsten hat Molitor prägnant so beschrieben: „Die Anlehnung an Frankreich kann man mit gutem Willen als den Versuch werten, kriegerische Übergriffe des mächtigen französischen Nachbarn zu verhindern, dadurch Land und Leuten Schaden zu ersparen und vielleicht sogar als Bestandteil einer ,Dritten Partei’ eine wenn auch besondere internationale Rolle zu spielen. Ganz konkret war die Hoffnung, mit Frankreichs Hilfe das immer noch von den Holländern besetzte Rheinberg zurück zu gewinnen und die selbstbewusste Reichsstadt Köln zur Raison zu bringen, wenn nicht sogar zu unterwerfen. Doch außer der Befreiung Rheinbergs und ein bisschen Abglanz vom Ruhm des Sonnenkönigs – Ende Mai 1672 traf sich Maximilian Heinrich in Neuss mit
Ludwig XIV. – brachte der Holländische Krieg (1672-1674) den rheinischen Teilen von Kurstaat und Erzbistum Köln nur Nachteil und Verluste. Der Angriff der französischen Truppen auf die Generalstaaten 1672 wurde mit Unterstützung kurkölnischer Soldaten vom Kurfürstentum aus vorgetragen, mit der Folge, dass der Gegenstoß des jungen Wilhelm von Oranien und seiner Verbündeten das Kurkölnische empfindlich traf. Nach kurzer Belagerung wurde am 12. November 1673 Bonn besetzt. Das war der Anlass für die Flucht Maximilian Heinrichs aus seiner Residenz in die Kölner Benediktinerabtei St. Pantaleon, wo er über zehn Jahre, bis 1684, Unterschlupf fand.“
Die außenpolitische Anlehnung an den mächtigen Nachbarn im Westen blieb lange bestehen und wurde durch Verträge von 1683 und