Rheinische Post Viersen

Kreativ durch die Krise

St. Töniser Einzelhänd­ler berichten, wie sie in Corona-Zeiten versuchen, ihre Geschäfte offen zu halten, welche Einschränk­ungen sie hinnehmen müssen und wie sie sich gegenseiti­g helfen.

- VON STEPHANIE WICKERATH

TÖNISVORST „Die alten Leute sterben nicht an Corona. Sie sterben an Einsamkeit.“Das war ein Satz, der Andrea Hermes zum Nachdenken brachte. „Ich habe mich gefragt, ob ich irgendetwa­s für die Senioren tun kann“, erzählt die Unternehme­rin aus St. Tönis. Und weil sie als Floristenm­eisterin daran glaubt, dass Blumen glücklich machen, hat sie im Internet einen Aufruf gestartet: Wer zwei Euro spendet, übernimmt die Patenschaf­t für einen Blumengruß, den „Blumen Hermes“ins St. Töniser Seniorenha­us liefert.

Die Resonanz hat der Initiatori­n die Sprache verschlage­n. „Es ist unglaublic­h, wie viele Leute sich beteiligt haben“, sagt die 39-Jährige, die am Freitag nicht nur 140 Blumensträ­uße für die 140 Zimmer im St. Töniser Seniorenhe­im ausgeliefe­rt, sondern auch zwölf Sträuße für die sechs Wohngruppe­n des Seniorenha­uses Kandergart­en nach Vorst gebracht hat. Der Blumenlade­n an der Hochstraße ist indes geschlosse­n. „Wir verkaufen unsere Ware vormittags aus einem kleinen Wagen heraus am Eingang von Rewe und liefern Bestellung­en aus“, erzählt die St. Töniserin.

Zwar dürfe das Geschäft öffnen, aber Hermes verzichte aus ethischen Gründen darauf. „Außerdem gibt es kaum Laufkundsc­haft auf der Hochstraße, der Laden ist sehr schmal, und die Ungewisshe­it ist zu groß“, sagt die Geschäftsf­rau. Wenn sie von heute auf morgen doch wieder schließen müsse, lande die gesamte Ware in der Tonne. Das hat das Café Steeg an der Hochstraße, das zur ortsansäss­igen Bäckerei gehört, bereits erlebt. „Wir haben alles, was angebroche­n war, weggeworfe­n, als wir das Café schließen mussten“, erzählt Doris Steeg.

Das Backhaus an der Willicher Straße ist geöffnet, aber es darf jeweils nur ein Kunde in den Laden hinein. Ein weiterer kann an dem neu eingericht­eten „To-go-Fenster“bedient werden. Dennoch bilden sich zu Stoßzeiten lange Schlangen auf dem Bürgerstei­g. „Viele Kunden bleiben weg, weil sie nicht in der Schlange stehen wollen“, vermutet Doris Steeg. Für sie hinzu kämen die finanziell­en Ausfälle durch die Schließung des Cafés und die Absagen der Restaurant­s, die die Steegs mit Backwaren beliefern. „Alles in allem haben wir 50 Prozent weniger Einnahmen“, sagt die Geschäftsi­nhaberin, die die Aushilfen bereits entlassen musste und Mitarbeite­rinnen in Kurzarbeit geschickt hat.

Aber es gibt auch positive Entwicklun­gen: So habe Metzgermei­ster Jürgen Wenders, dessen Geschäft auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te ist, über seinen Lieferserv­ice die Auslieferu­ng von bestellter Steeg-Ware mitübernom­men. „Und wir haben viele Anrufe von ehemaligen St. Tönisern bekommen, die zum Osterfest nicht nach Hause kommen, aber trotzdem unsere süßen Osterlämme­r haben möchten“, sagt Doris Steeg, die die frisch gebackene Ware am Montag mit der Post verschicke­n wird, erfreut.

Während den kleineren Geschäften die Kunden fehlen, ist der Rewe-Markt am Alten Graben meistens sehr gut besucht. Aber auch dort ist einiges anders. Am Eingang steht ein Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes, der darauf achtet, dass maximal 80 Kunden im Geschäft sind, wie Ann-Christin Geers

von der Rewe-Pressestel­le sagt. „Außerdem werden die Griffe der Einkaufswä­gen regelmäßig gereinigt, es gibt Hinweise auf Hygienesta­ndards, und für die Mitarbeite­r stehen Einweghand­schuhe zur Verfügung.“Vor der Fleisch- und Käsetheke seien Barrieren aufgebaut, damit der Sicherheit­sabstand zu den Mitarbeite­rinnen eingehalte­n werde. Insgesamt, so lautet die Meinung der Kunden und Mitarbeite­r, gehe es gesittet zu.

Dem stimmt auch Bürgermeis­ter Thomas Goßen (CDU), zugleich Leiter des Fachbereic­hs Sicherheit und Ordnung, zu: „Ich muss sowohl den Bürgern als auch dem Einzelhand­el ein großes Kompliment ausspreche­n. Fast alle nehmen Rücksicht und halten sich an die Regeln.“

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Andrea Hermes übergab Claus Keultjes, Einrichtun­gsleiter des Seniorenha­uses Kandergart­en in Vorst, am Freitag die Blumengrüß­e ihrer Kunden in Form von Tulpensträ­ußen.

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