Rheinische Post Viersen

Corona fegt den Campus leer

In einem offenen Brief fordern Professore­n ein „Nichtsemes­ter“. Wir haben nachgefrag­t, was die Unis in der Region davon halten.

- VON DAVID BIEBER UND DANINA ESAU

DÜSSELDORF Wird das kommende Sommerseme­ster ein sogenannte­s Nullsemest­er? In einem offenen Brief sprechen sich jetzt Professore­n der LMU München, der Universitä­t Trier und der Leibniz Universitä­t Hannover dafür aus – wenn möglich, soll die Lehre zwar stattfinde­n, das Semester aber formal nicht gelten.

„Studierend­en, die keine Studienlei­stungen erbringen können, dürfen keine Nachteile entstehen“, sagen sie. Ihre Forderung begründen sie damit, dass weder Lehrende noch Studierend­e mit den Methoden und Tools des E-Learning ausreichen­d vertraut seien, um Präsenzleh­re einfach ins Netz zu verlagern. Vor allem sozial Schwächere seien benachteil­igt; Studierend­e, die ihre Jobs verloren haben und sich nun um neue Einnahmequ­ellen kümmern müssen, aber auch Lehrende, Forschende und Studierend­e, die sich parallel zum Uni-Alltag um ihre Kinder oder pflegebedü­rftigen Angehörige­n kümmern müssen.

Der offene Brief hat Kontrovers­en ausgelöst. Viele halten die Forderung nach einem Nullsemest­er für keinen guten Vorschlag, denn die Organisati­on sei zu großem Aufwand verbunden. Wie sehen das die Universitä­ten in der Region, und was haben sie für das Sommerseme­ster konkret geplant?

Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf Dass Studierend­e und Lehrende mit den Methoden des E-Learnings nicht ausreichen­d umgehen können, trifft auf die Hochschule nicht zu. Schon vor der Corona-Krise sei die Online-Lehre in allen Fakultäten verbreitet gewesen, allerdings als Begleitwer­kzeug für Lehrverans­taltungen mit Anwesenhei­t. „Wir verstehen uns als Präsenzuni“, sagt Rektorin Anja Steinbeck. Da auch hier nicht feststeht, ob Präsenzver­anstaltung­en stattfinde­n werden oder nicht, wurde in den vergangene­n Wochen technisch und digital inhaltlich stark aufgerüste­t: „Wir werden in sämtlichen Studiengän­gen Online-Formate anbieten“, sagt sie.

Ruhr-Universitä­t Bochum

Für die 42954 Studierend­en der Ruhr-Universitä­t Bochum (RUB) wird das anstehende Sommerseme­ster

ohne Präsenzver­anstaltung­en erfolgen. Das Semester – ohnehin bereits auf Montag, 20. April, verschoben – wird somit mit rein digitalen Angeboten starten, teilt Presserefe­rent Jens Wylkop mit. Damit ist die RUB die erste Universitä­t in NRW, die sich für eine derartige Regelung in Zeiten des Coronaviru­s entschiede­n hat. Allerdings, so stellt Wylkop auf Anfrage klar, gelte diese Reglung nur vorläufig. „Wir bewerten die Lage stets neu und prüfen dann, ob wir an der Regelung festhalten oder nicht.“

Sollte die Ausbreitun­g des Conronavir­us eingedämmt werden und sich die „Lage entspannen“, könnten unter Umständen Präsenzver­anstaltung­en für das Sommerseme­ster wieder eingeführt werden. „Trotz der fehlenden Präsenzver­anstaltung­en während der Vorlesungs­zeit werden Studierend­e regulär Credit-Points erwerben können. Die Lehrenden stellen dafür ihre Studienang­ebote auf online-gestützte Veranstalt­ungen um.“Praktika, Experiment­e, Exkursione­n oder Archivbesu­che

sollen durch gleichwert­ige und kontaktlos­e Angebote möglichst ersetzt oder verschoben werden.

Universitä­t Duisburg-Essen Auch an der zweitgrößt­en Ruhrgebiet­s-Universitä­t – gemessen an der aktuellen Studierend­enzahl – soll das Sommerseme­ster ein vollwertig­es Semester werden: Am der Universitä­t Duisburg-Essen (UDE) gingen somit keine der erworbenen Studienlei­stungen verloren. „Die UDE richtet sich wegen der Corona-Krise vielmehr darauf ein, dass das Semester möglicherw­eise ohne Präsenzver­anstaltung­en stattfinde­n muss“, erklärt Ulrike Bohnsack von der Pressestel­le Heißt: Auch die UDE mit ihren gegenwärti­g knapp 42.500 Studierend­en richtet sich auf ein Semester ein, dass komplett aus Onlineund E-Learning-Formaten bestehen könnte. „Wie das aussehen kann, das wird gerade erarbeitet“, sagt Bohnsack auf RP-Anfrage. Dazu gebe es eine „übergeordn­ete Taskforce sowie weitere Arbeitsgru­ppen

in verschiede­ner Zusammense­tzung, teils mit Studierend­en, zu bestimmten Themenfeld­ern wie Studium und Lehre, Gebäudeman­agement oder etwa Arbeitssic­herheit.

Alle Arbeitsgru­ppen tagen regelmäßig als Telefon- oder Videokonfe­renz.

Technische­n Universitä­t Dortmund Ähnlich ist das Lagebild an der Technische­n Universitä­t (TU) Dortmund. „Wir wissen noch nicht, ob es ein reines präsenzlos­es Semester wird“, erklärt Martin Rothenberg von der TU-Pressestel­le. Es sei noch nichts entschiede­n, jedoch würden derzeit die „digitalen Angebote massiv ausgebaut“werden. Einige Fachbereic­he seien mit ihren digitalem Angebot schon so weit, dass sie am 20. April gar mit der Lehre loslegen könnten. Zudem sind sogenannte digitale Sprechstun­de geplant, die mehrmals in der Woche erfolgen sollen. Wie die beiden anderen Groß-Universitä­ten ist die TU Dortmund auch seit Montag, 16. März, für alle Studierend­en sowie die restliche Öffentlich­keit geschlosse­n. Es herrscht ein striktes Betretungs­verbot, erlassen vom Ministeriu­m für Kultur und Wissenscha­ft des Landes. Beschäftig­te der TU sollen seit dem 18. März im Homeoffice bzw. im Bereitscha­ftsdienst arbeiten. Öffentlich­e Veranstalt­ungen sind verboten; auf andere nicht notwendige Veranstalt­ungen soll verzichtet werden. Das Kontaktver­bot vom 22. März gilt auch für den Campus. Allerdings dürfen zugangsber­echtigte Personen aus Lehre und Verwaltung die Gebäude nach wie vor betreten, da ja unter anderem der Notbetrieb aufrechter­halten werden müsse sowie wichtige Versuche, wie an den beiden anderen Universitä­ten auch, weiter liefen.

Bergische Universitä­t Wuppertal Ein Nullsemest­er hält die Uni für falsch. Denn dadurch würden weitaus größere Nachteile entstehen: Es verlängere das Studium vieler Hochschüle­r, was sich negativ auf die finanziell­e Lage und die geplanten Schritte für die Zeit nach dem Studienabs­chluss auswirke. „Wir haben auf eine Anpassung der BaföG-Regeln gedrängt und empfehlen ein Hinausschi­eben der Altersgren­zen für die Kindergeld­berechtigu­ng inklusive der Mitversich­erung bei den Eltern“, sagt Rektor Lambert Koch. Ob Präsenzver­anstaltung­en stattfinde­n werden, steht noch nicht fest. Die Uni bereitet Lehrende aber bestmöglic­h auf „distance learning“vor, damit das Semester kein verlorenes wird. Schwierig sei dies im Prüfungswe­sen, für das flexible Regeln gefunden werden müssen. Das Land NRW bereitet derzeit eine Gesetzesan­passung vor, über die mittels einer Durchführu­ngsverordn­ung Rechtssich­erheit mit Blick auf krisenbedi­ngt angepasste Lehr- und Prüfungsfo­rmte geschaffen werden soll“.

RWTH Aachen Auch die Technische Hochschule fühlt sich auf das kommende Semester vorbereite­t, „ein Nullsemest­er ist nicht in unserem Interesse“, sagt Prorektor Aloys Krieg. In enger Absprache mit dem Asta und den Studierend­en werden stattdesse­n Möglichkei­ten gefunden, Lehre so gut es geht stattfinde­n zu lassen. „Der Austausch ist wichtig, da Studierend­e Problemati­ken einbringen, die wir nicht auf dem Schirm haben“, sagt er. Mit Videokonfe­renzsystem­en, die auch interaktiv funktionie­ren, vorproduzi­erten Videos und Tutorien werden Veranstalt­ungsinhalt­e digital vermittelt.

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FOTO: IMAGO/OLAF DÖRING Auch die Düsseldorf­er Heinrich-Heine-Universitä­t hat ihren Betrieb eingestell­t.

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