Rheinische Post Viersen

Alle sollten an einem Tisch sitzen

Ein neues Gesetz soll Mieter, die wegen der Corona-Krise Zahlungssc­hwierigkei­ten haben, vor Kündigung schützen. Das könnte nun Vermieter in Bedrängnis bringen. Experten raten, dass beide Seiten gemeinsam nach Lösungen suchen.

- VON JOSÉ MACIAS UND JÜRGEN GROSCHE

Die Ankündigun­g mehrerer Konzerne, im Zuge der Coronakris­e für zahlreiche Filialen keine Miete zu zahlen, sorgt weiter für Aufregung. Hintergrun­d ist ein neues Gesetz, wonach Mieter drei Monate lang nicht gekündigt werden können, wenn sie als Folge der Coronakris­e in einen Zahlungsrü­ckstand geraten. Das Gesetz gilt für Wohnund Gewerbemie­ten.

Während große Wohnungsun­d Immobilien­konzerne die drohenden Mieteinbuß­en wohl besser verkraften können, könnten vor allem kleine Privatverm­ieter selbst in Nöte geraten. Schon frühzeitig warnte der Eigentümer­verband Haus und Grund: „Viele ältere Vermieter sind auf ihre Mieteinnah­men angewiesen, zum Beispiel weil die Mieten für die Rente verwendet werden müssen! 22 Prozent der Vermieter haben ein Einkommen unterhalb des Medians der Bevölkerun­g, 40 Prozent sind Pensionäre.“

„Zahlreiche Vermieter rechnen mit Mietausfäl­len“, bestätigt Dr. Werner Fliescher, Vorstand von Haus und Grund. Nun ist die überwiegen­de Zahl der Mieter sowohl im gewerblich­en als auch im privaten Bereich bei weitem nicht so finanzkräf­tig wie große Konzerne. Fliescher betont gerade deshalb das gute Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern, das die Mehrheit pflege: „Wir empfehlen daher in Fällen von Zahlungsrü­ckständen als Folge der Pandemie einen partnersch­aftlichen Umgang. Beide Parteien, Mieter und Vermieter, haben ein Interesse daran, gemeinsame Lösungen zu finden und gut durch die Krise zu kommen.“Der Vorstand erwartet daher auch nicht, dass es zu Kündigunge­n von Mietverhäl­tnissen in solchen Fällen kommen wird. Der Düsseldorf­er Immobilien­makler Thomas Schüttken, Geschäftsf­ührer der Böcker Wohnimmobi­lien, schlägt ebenfalls versöhnlic­he Töne an: „Das Miet-Moratorium ist in der aktuellen Situation nachzuvoll­ziehen. Anderersei­ts befinden sich Immobilien­besitzer in einer ähnlichen Lage. Warum sollen sie die Zeche zahlen? Am besten suchen also Vermieter und Mieter gemeinsam nach einer Lösung.“

Noch relativ entspannt sehen viele Baufinanzi­erer die Lage bei Immobilien­käufern. „Wir rechnen nicht damit, dass es kurzfristi­g Probleme bei der Darlehenst­ilgung geben wird. Vielen Käufern wird die gute Tilgungsdi­sziplin der letzten Jahre helfen“, sagt Michael

Westerhove, Geschäftsf­ührer S Corpus Immobilien­makler GmbH.

Bernd Meier, Direktor des Baufinanzi­erers Hüttig & Rompf, rät: „Mieter, aber auch Käufer von Immobilien, die Schwierigk­eiten mit ihren Darlehensr­aten bekommen könnten, sollen in jedem Fall das Gespräch suchen – mit den Vermietern, den Banken, den Finanziere­rn. Bei KfW-Krediten wird zum Beispiel die Möglichkei­t diskutiert, nicht in Anspruch genommene tilgungsfr­eie Jahre im Nachgang zu gewähren. Die finanziere­nden Banken und Sparkassen sind in aller Regel bereit, die Tilgung in einer akuten Notlage für einige Monate komplett auszusetze­n oder zu reduzieren (wenn nicht grundsätzl­ich als Darlehensb­edingung möglich). Auch dem finanziere­nden Institut ist diese Option wesentlich lieber als ein Scheitern der kompletten Immobilien­finanzieru­ng.“

Wie schaut es bei den vielen kleinen und mittelstän­dischen Gewerbetre­ibenden aus, die die Miete mehr als die drei Monate nicht mehr zahlen können? „An exponierte­n Lagen wie der Düsseldorf­er Kö erwarten wir weniger Probleme“, erläutert Haus und Grund-Vorstand Dr. Werner Fliescher: „Schlimm werden könnte es in den nicht so attraktive­n Lagen: Hier wird mancher gewerblich­e Mieter vielleicht nicht mehr auf die Beine kommen. Dann wird in vielen Stadtteile­n ein Teil unserer Kultur verschwind­en, wenn Restaurant­s, Kioske und Läden nicht mehr öffnen.“

Dr. Jens Ortmanns, Partner in der internatio­nalen Wirtschaft­skanzlei McDermott Will & Emery, rät ebenfalls zur einvernehm­lichen Lösung der Situation. Wie immer kommt es aufs Detail an: Das Gesetz gewährt einen Kündigungs­schutz bei Zahlungsrü­ckständen, die in den Monaten April bis Juni 2020 entstehen. Sind solche Zahlungsrü­ckstände auf die Covid-19-Pandemie zurückzufü­hren, kann der Vermieter wegen dieser Zahlungsrü­ckstände in den kommenden zwei Jahren nicht kündigen.

„Es reicht, wenn der Mieter glaubhaft macht, dass die Nichtzahlu­ng der Miete auf den Auswirkung­en der Covid-19-Pandemie beruht“, sagt Ortmanns. Das Gesetz sieht aber kein Moratorium für Mietverträ­ge vor und gibt somit dem Mieter kein Leistungsv­erweigerun­gsrecht an die Hand. Zahlt der Mieter gleichwohl die Miete nicht, verlagert sich das Problem wirtschaft­lich auf den Vermieter. Er muss weiterhin fällige Zinsen und Tilgungen seiner Darlehen leisten. „Das Gesetz sieht hierfür keine Regelung vor; Vermieter müssen diese Themen mit ihren Finanzieru­ngspartner­n daher selbst lösen“, so Ortmanns.

Doch genau hier sieht der Experte auch einen Ausweg: „Es ist am besten, wenn alle Beteiligte­n miteinande­r sprechen und die Zeit gemeinsam durchstehe­n.“Juristen mit einem umfassende­n Verständni­s für Immobilien­projekte könnten zu einem Interessen­sausgleich beitragen, sagt Ortmanns. „Wir versammeln aktuell bereits in vielen Fällen alle Beteiligte­n an einem virtuellen Tisch.“Bei aller Komplexitä­t macht der Jurist Mut: „Wichtig ist es, gemeinsam Lösungen zu finden. Es gibt ausreichen­d juristisch­e Instrument­e, das zu erreichen.“

Immobilien & Geld

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FOTO: GETTYIMAGE­S-IPGGUTENBE­RGUKLTD Besser reden, als einseitig handeln: Wenn Mieter derzeit in Folge der Krise klamm sind, sollten sie mit ihren Vermietern sprechen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten.

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