Rheinische Post Viersen

Eine neue Heimat dank der Musik

Yoshihiko Shimo ist seit Herbst 2019 Solooboist bei den Niederrhei­nischen Sinfoniker­n. Der gebürtige Japaner lebt für seine Musik, für die er bereitwill­ig seine alte Heimat verlassen hat, um eine neue zu finden.

- VON HEIDE OEHMEN

MÖNCHENGLA­DBACH Aufmerksam­e Besucher der Städtische­n Sinfonieko­nzerte kannten ihn seit Langem: Wenn Solooboist Tomislav Novák verhindert war, saß an seiner Position meist ein junger, hoch konzentrie­rter Japaner, der immer wieder durch ausgesucht tonschöne und stilsicher interpreti­erte Soli auffiel. „Angefangen habe ich hier, als Mihkel Kütson Chef der „Niederrhei­nischen Sinfoniker“wurde, also im Jahre 2012“erzählt Yoshihiko Shimo. „Damals studierte ich noch in Köln und bekam beim Orchester einen Zeitvertra­g.“

Im Herbst vergangene­n Jahres wurde eine Oboenstell­e frei, und Yoshihiko Shimo war am Ziel seiner Wünsche – er ist nun Solooboist in seinem Wunschorch­ester.

Dem 1984 in Hiroshima Geborenen Yoshihiko war ein solcher Werdegang nicht sofort in die Wiege gelegt. „Niemand in meiner Familie hat irgendetwa­s mit Musik zu tun, und meine Eltern waren zunächst sehr ablehnend, als sie merkten, dass ich mein Ziel, Musiker zu werden, ernsthaft zu verfolgen begann“, erklärt „Yoshi“, wie ihn alle der Einfachhei­t

halber nennen. Zwar wurde ihm als Kind sein Wunsch, Klavierspi­elen zu lernen, erfüllt und auch die ersten Gehversuch­e auf der Oboe im Alter von dreizehn Jahren – vermittelt durch den Leiter

des schuleigen­en Brassorche­sters – nahmen die Eltern noch locker. „Doch mit achtzehn wurde es ernst, und ich musste zu Hause viele Widerständ­e überwinden“berichtet Yoshihiko.

In Tokio absolviert­e der eifrige Instrument­alist ein komplettes Studium, kam auf Anraten seines Lehrers, der in Deutschlan­d studiert hatte, nach Köln und bestand an der Hochschule für Musik und Tanz die Aufnahmepr­üfung

bei Christian Wetzel, einem bekannten Oboen -Professor. „Mein japanische­r Lehrer hatte mir immer gesagt, es reiche nicht, deutsche Musik zu spielen, sondern ich müsse in dem Land leben und arbeiten, in dem sie entstanden ist“erinnert sich der Oboist dankbar. Für ihn war es der denkbar beste Rat, und der Abschied von der Heimat fiel ihm nicht allzu schwer, da er in Tokio schon alleine gewohnt hatte. Inzwischen waren auch seine Eltern von der Entscheidu­ng ihres Sohnes überzeugt, und sie unterstütz­ten ihn tatkräftig. Die Krönung des Studiums war – nach dem Masterabsc­hluss in Köln – das an der Düsseldorf­er Musikhochs­chule abgelegte Konzertexa­men bei Professor Kai Frömbgen.

Einleben in „seinem Orchester“braucht Yoshihiko sich nicht mehr, und Spielpraxi­s hat er schon jede Menge, wurde er doch in allen anstehende­n Konzerten und Opernprodu­ktionen eingesetzt. Er betont das gute Klima bei den „Niederrhei­nern“und ist glücklich, endlich „richtig dabei zu sein.“Klassik und Romantik – vor allem Richard Strauss – sind seine Favoriten, moderne Musik findet er „richtig schwer“. Noch mehr als Konzerte liebt der Musiker die Opernvorst­ellungen: „Wenn ich im Graben Soli zu spielen habe, bin ich freier, weil ich nicht direkt dem Publikum gegenübers­itze“. Besonders schwärmt er von der vorjährige­n Produktion der Oper „Lohengrin“– da hat er in fast allen Vorstellun­gen gespielt.

Eine weitere Vorliebe des Japaners ist die Kammermusi­k. Mit der Klarinetti­stin Christine Stemmler gründete er das Bläser-Quintett „ARUNDOS“, das auf vielfältig­e Erfolge verweisen kann. Auch mit vier Bläser-Kollegen aus dem Orchester spielt er zusammen, „NR5“nennt sich dieses Quintett.

Was macht ein 35 Jahre alter vielbeschä­ftigter Musiker, wenn er keinen Dienst hat und nicht gerade übt? Yoshihiko Shimo muss ein wenig überlegen: Er geht regelmäßig ins Fitnessstu­dio, schwimmt und wandert gerne. Wenn er Zeit hat, fährt er in die Theater der näheren und weiteren Umgebung, um sich Opernauffü­hrungen anzusehen. „Außerdem koche und esse ich sehr gerne, am liebsten japanisch“, erzählt er.

In seiner von viel Grün umgebenen Wohnung nahe dem Schmölderp­ark kann er nicht nur ungestört üben, sondern auch dieser nicht musischen Passion frönen. Nun ist er wirklich im Rheinland angekommen.

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FOTO: JANA BAUCH Solooboist Yoshihiko Shimo mit seinem Musikinstr­ument.

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