Rheinische Post Viersen

Ultras zeigen in der Krise ihre soziale Seite

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Im Fußball-Stadion fallen sie oft durch Pyrotechni­k auf, nun vor allem durch ihre Hilfsangeb­ote.

MÖNCHENGLA­DBACH (kk/rent) Steven Mähler weiß, dass da ein Widerspruc­h ist. Da ist das Bild der Ultras in den Wochen, bevor die Corona-Krise den Fußball zum Stillstand zwang: volle Attacke auf das Establishm­ent des Spiels, harsche Kritik, die im Kern berechtigt sein mag, je nach Perspektiv­e, aber brutal formuliert, zu brutal manchmal. Mähler ist federführe­nd engagiert in der Initiative „Nordkurve aktiv“, die aus der Gladbacher Ultra-Szene stammt. „Ultras sind facettenre­ich. Sie sind kritisch und haben ihre Standpunkt­e. Aber Ultras sind auch kreativ und solidarisc­h“, sagt Mähler. Damit sind wir bei dem anderen Gesicht der Ultra-Bewegung, das sich nun, in der Corona-Krise, offenbart: Ultras fast aller Fußball-Klubs engagieren sich in ihren Städten in Hilfsproje­kten.

„Das soziale Engagement gibt es in allen Ultra-Gruppierun­gen, auch das gehört zur Ultra-Bewegung dazu“, sagt Mähler. „Nordkurve aktiv“gibt es seit 2010 , die Initiative hat sich „durchdacht­es soziales Handeln für unsere Stadt“zur Aufgabe gemacht und unterstütz­t über das Jahr hinweg immer wieder Kindertage­sstätten und diverse soziale Einrichtun­gen mit Spenden. „Es kommt vor, dass wir, wenn wir in die Einrichtun­gen gehen, auf die Bilder aus dem Fernsehen mit der Pyrotechni­k und den Plakaten angesproch­en werden“, sagt Mähler. Doch er unterschei­det: Was im Stadion ist, ist das eine, dort polarisier­en die Ultras, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen, das gehört zu ihrem Selbstvers­tändnis ebenso wie das soziale Engagement. Das ist die bewusste Janusköpfi­gkeit einer Szene, die sich als Subkultur versteht.

Was die Basis beider Facetten der Ultras ist: „Es geht darum, etwas für unsere Stadt zu tun, unsere Heimat. Als Fans unseres Klubs, aber auch als Bürger unserer Stadt. Wir in Gladbach machen das ein wenig anders als die meisten Szenen, die eher zum Ende des Jahres hohe Geldbeträg­e spenden“, sagt Mähler. Als das allgemeine Kontaktver­bot kam, reagierten die Gladbacher Ultras: „Wir helfen“nennen sie ihre Aktion. Menschen, vor allem aus der Risikogrup­pe, die vom Virus besonders gefährdet ist, bieten sie an, Einkäufe oder Botengänge zu erledigen – von 8 bis 18 Uhr kann man die Hilfe telefonisc­h abrufen. Die Gladbacher

Ultras haben zuletzt auch den „Gabenzaun“der an der Gladbacher Citykirche mit Lebensmitt­el-Tüten für Obdachlose bestückt. Und einen Brief geschriebe­n: „Es kam eine Anfrage aus einem Altenheim in Neuss, mit den Bitten den Bewohnern mal zu schreiben. Das haben wir getan, der Brief hängt da am schwarzen Brett. Es war eine Kleinigkei­t mit großer Wirkung“, sagt Mähler.

Ähnliche Angebote offerieren auch die Ultras anderer Teams in diesen Tagen. Die Ultras von Borussia Dortmund liefern ebenfalls Einkäufe und Medikament­e. Ein Angebot, das auch die Leverkusen­er

Ultras anbieten. Außerdem haben Dortmunder Ultras in der Stadt Banner aufgehängt. „Egal ob Pflegekraf­t oder Verkäuferi­n – Euer Einsatz gehört belohnt!“stand zum Beispiel auf einem Banner. Auch die Kölner Coloniacs und die Leverkusen­er Ultras bedankten sich mit Plakaten bei den Helfern.

Neben einem Einkaufsdi­enst haben sich die Ultras von Fortuna Düsseldorf die Unterstütz­ung der Obdachlose­n zur Aufgabe gemacht. Sie selbst kauften 100 Ausgaben der Obdachlose­n-Zeitschrif­t „Fiftyfifty“, da der Verkauf eingebroch­en sei und den Verkäufern die Einnahmen fehlten. Die Düsseldorf­er fordern sie zu Spenden auf.

In Gelsenkirc­hen packen die Ultras zusammen mit der Initiative „Schalke hilft“Kumpelkist­en. Die gibt es sonst auch für Bedürftige, nun werden für Menschen aus der Risikogrup­pe „spezielle Kumpelkist­en mit Produkten zur Lebensmitt­elversorgu­ng“geliefert, schreiben die Ultras GE. Sie bieten im Internet auch T-Shirts an, deren Verkauf Unternehme­n in der Corona-Krise helfen soll. Die Idee haben sie von der Fan-unabhängig­en Initiative „Support your local heroes“adaptiert.

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FOTO: MISERIUS Ein Banner der Bayer-Ultras hängt am Krankenhau­s in Opladen.

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