Mit jungen Helfern die Ernte retten
Vielen Spargel- und Erdbeerbauern fehlen die Saisonkräfte aus Rumänien oder Polen. Eine Alternative sind Schüler, die auf den Feldern helfen. Dennoch ist die Sorge groß: Kann die Ernte rechtzeitig eingebracht werden?
KREIS VIERSEN Acht Hektar bewirtschaftet Familie Brinkman in Brüggen-Genholt, ab April ist dort alles auf die Spargelernte ausgerichtet. Doch nicht in dieser Saison: Statt der gewohnten Helfer aus Rumänien oder Polen stehen sechs Schüler auf dem Feld – und Ingrid Brinkman ist von ihnen begeistert. Einer davon ist Christian Lottmann (17). Der Elftklässler würde eigentlich am Clara-Schumann-Gymnasium lernen: „Doch da die Schule wegen des Coronavirus geschlossen ist und ich einen Aushilfsjob gesucht habe, arbeite ich jetzt hier am Hof“, sagt der Borner. Zwar sei die Arbeit anstrengend, aber man habe ihm alles gut erklärt. Das Spargelstechen macht ihm so viel Spaß, dass er auch dabei bleiben will, wenn die Schule wieder beginnt.
Normalerweise helfen bei der Spargelernte bis zu 20 Kräfte. „Uns fehlen 15 Leute“, sagt Brinkman. Und wenn sie mit ungelernten Helfern rechnet, bräuchte sie sogar „20 bis 30“. Aber die Landwirtin, die mit drei Erzeugern zur Gemeinschaft Burgi-Spargel gehört, ist optimistisch: „Wir haben mit einem Aufruf nach Freiwilligen gesucht.“Rund 70 seien nach Genholt gekommen, wollten beim Sortieren, Einpacken, Verkaufen helfen. Und einige wollten auch Spargel stechen: „Mit ihnen haben wir jetzt eine WhatsApp-Gruppe gegründet und bleiben in Kontakt.“Neben den neuen Helfern setzt Familie Brinkman auf eine neue Spargelstechmaschine.
„Viele Bauern sorgen sich, ob sie überhaupt die Ernte einbringen können“, sagt Paul-Christian Küskens, Kreislandwirt für den Kreis Viersen. Wer jetzt Spargel anbaut, Erdbeeren heranzieht oder Gemüse aussät, dem fehlen die Saisonarbeiter aus anderen Ländern. Die meisten der Kräfte kämen aus Rumänien und Polen; viele seien Stamm-Mitarbeiter und nicht nur erfahren, sondern auch fleißig. „Wer zum Spargelstechen kommt, der will möglichst viele Stunden machen“, sagt Küskens. Doch durch die Corona-Pandemie können die gewohnten Mitarbeiter nicht einreisen. „Und wenn sie es können, wissen sie in der derzeitigen Situation nicht, wann und wie sie wieder nach Hause kommen“, so der Kreislandwirt. Für die Landwirte gebe es zudem ein zweites Problem: Sie müssten jetzt investieren, etwa in Saatgut und Dünger, ohne zu wissen, ob sie überhaupt die Ernte einfahren können.
Paul-Christian Küskens hofft jetzt auf eine Initiative der Bundesregierung. Dabei werden Erntehelfer eingeflogen. „Die Landwirte konnten ihren Bedarf anmelden“, so Küskens. Allerdings seien dazu viele Papiere auszufüllen gewesen. Parallel dazu hätten viele Landwirte Freiwillige als Erntehelfer gesucht. Sie könnten aber kaum die erfahrenen Kräfte ersetzen. Zudem wisse der Landwirt oft nicht, wie viele Helfer wann wie lange kommen.
Wie Küskens hofft auch Dominik Janssen auf den Erfolg der Initiative der Bundesregierung. Seine Familie hat einen landwirtschaftlichen Betrieb in Viersen, baut auf elf Hektar Fläche Erdbeeren an. „90 Prozent unserer Erntehelfer kommen aus Rumänien, zehn Prozent aus Polen“, erzählt der Junior-Chef am Mittwoch. Seit Januar seien 30 Helfer in Viersen, die jetzt auch gar nicht mehr nach Hause kämen – „morgen sollen noch 30 Leute kommen“, sie würden eingeflogen. Die vergangenen Wochen seien „wie eine Achterbahnfahrt“gewesen, sagt Janssen: „Alle paar Stunden gab es wieder neue Informationen.“Nun sei er zuversichtlich, dass die Erntehelfer aus dem Ausland auch wirklich ankommen. Im Mai und Juni, der Haupterntezeit, brauche er rund 110 Kräfte. Sein Plan: „Wir stocken bis dahin nach und nach auf.“Die Neuankömmlinge sollen dabei erstmal das Betriebsgelände nicht verlassen und nicht mit den Helfern, die schon länger in Viersen sind, in
Kontakt kommen. „Sie wohnen und arbeiten getrennt voneinander“, erklärt der 23-Jährige.
In Nettetal sieht die Lage sehr unterschiedlich aus. Beim Landhof Hermans in Lobberich sieht es gut aus. Dort sind die Erntehelfer aus Polen rechtzeitig eingetroffen. Auf den Spargelfeldern vor Lobberich sind genug Stecher im Einsatz. Beim Spargelhof Heyman in Lobberich wartet Walburga Heyman noch auf sechs Saisonarbeiter aus Polen: „Ob sie auch wirklich kommen, weiß ich nicht.“Einige Kräfte hätten aber auch aus Angst vor Ansteckung abgesagt. Die meisten Saisonkräfte kommen seit Jahen und bleiben acht bis zehn Wochen in Nettetal. Das verdiente Geld sei meistens fest eingerechnet und werde gebraucht. Mit drei Leuten auf dem Feld gehe es im Moment noch, aber wenn es wärmer wird, müsse man überlegen. Eine Alternative seien Freunde, die früher vor 30 Jahren geholfen hätten. Sie denkt dabei an Helfer aus der Türkei, die längst in der Stadt heimisch geworden seien. Einige seien jetzt von Kurzarbeit betroffen und hätten Zeit. Beim Spargel- und Erdbeerhof Bonnacker in Kaldenkirchen fehlen auf jeden Fall nach
Ostern Erntehelfer. Aktuell werden noch nicht alle Flächen gestochen, bereits jetzt sind 80 Saisonkräfte im Einsatz. Wenn das Wetter besser wird, braucht Kevin Bonnacker noch mal 85 Helfer. Es gab viele Anrufe von Schülern und Studenten, doch solch flexible Arbeitszeiten funktionierten nicht. Auch das Hin und Her mit den Einreisebedingungen sei ein Problem: Da wurden Flüge gebucht, die dann doch nicht genutzt werden durften. Mehr Sorge macht Bonnacker die Erdbeerernte, die Ende April losgeht. Wenn es nicht gelingt, genügend Erntehelfer zu rekrutieren, käme es zu Ernteausfällen. Dann blieben Felder unbestellt.
Familie Brinkman setzt jetzt auf Mensch, Maschine und Optimismus „Vor drei Wochen haben wir eine Spargelstechmaschine gekauft. Sie war für unseren Boden gar nicht geeignet“, sagt Ingrid Brinkman. Doch der Sohn habe sie umgebaut. Der Vorteil der Maschine: Sie kann von zwei Menschen, etwa einem erfahrenen Helfer und einem Freiwilligen, bedient werden. „Da können wir schon einiges schaffen“, sagt die Landwirtin. „Wir hoffen, dass wir unsere Ernte retten können.“