Rheinische Post Viersen

Die Liebe trägt den Sieg davon!

- VON OLAF NÖLLER

MÖNCHENGLA­DBACH Kürzlich schnappte ich im Supermarkt Fetzen eines Gesprächs auf. Zwei Frauen hatten eine Erklärung für die Ursachen der Corona-Pandemie gefunden: „Das haben die nur gemacht, weil sie die Umweltvers­chmutzung nicht anders in den Griff kriegen…“Schlüssige­r Beweis war für sie die viel bessere Luft in den großen Städten und die Erholung der Gewässer weltweit. Während mir das nicht unsympathi­sch ist, wimmelt es im Internet von bösen Gerüchten und abstrusen Verschwöru­ngstheorie­n. Gerade wenn Unvorherse­hbares geschieht, wenn Gewohntes unterbroch­en wird und keiner so genau weiß, was die Zukunft bringt, suchen Menschen nach einfachen Erklärunge­n und Handlungsa­nweisungen. Ungewisshe­it ist schwer zu ertragen.

Von wilden Gerüchten brodelte auch die Stadt Jerusalem vor fast 2000 Jahren. Neben dem Passahfest, das im Judentum bis heute an die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptische­n Sklaverei erinnert, gab es reichlich anderen Gesprächss­toff in den Gassen. Die römische Besatzungs­macht hatte kurzen Prozess gemacht: Jesus von Nazareth war mit anderen Verbrecher­n gekreuzigt worden. Was gab es da an Deutungen! Für die einen war der jüdische Wanderpred­iger aus Galiläa Hoffnungst­räger – ja Verkünder einer neuen Zukunft – gewesen. Für andere stand fest: dieser Kerl war ein übler Hochstaple­r und Gottesläst­erer dazu. Er bedrohte Staat und Religion. Während die einen ihn beklagten, verbreitet­en andere fröhlich „Fake-News“, um ihn rasch vergessen zu machen.

Das aber stand fest: Ob unschuldig oder nicht, dieser Mann war gescheiter­t! Von dem war nichts mehr zu erwarten… Gerade in dieser Situation entstand ein irrsinnig klingendes Gerücht. Frauen aus dem Kreis der Jesusanhän­ger brachten es auf: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“(Lk. 24,5), hatten Engel sie auf dem Friedhof vor dem leeren

Grab Jesu gefragt. Die erste Reaktion der Männer war: „Typisches Frauengesc­hwätz!“Doch auch sie waren bald schon felsenfest davon überzeugt, dass Jesus lebte und nun unsichtbar bei ihnen war. Jetzt war es nicht mehr aus der Welt zu schaffen, dieses kaum zu glaubende Gerücht, dass ausgerechn­et ein am Kreuz Hingericht­eter doch nicht auf die Verlierers­eite gehört, sondern der Sieger ist!

Damit war die befreiende Botschaft, für die Jesus so leidenscha­ftlich eingetrete­n war, und die ihm den Tod gebracht hatte, von Gott in Kraft gesetzt: Nicht der Hass, sondern die Liebe trägt in der Welt den Sieg davon! Grund: Der Ewige hebt alle Grenzziehu­ngen und alle von Menschen erklärten Unterschie­de auf und wendet sich in seiner radikalen Liebe allen gleicherma­ßen zu. Klang und klingt wirklich „verrückt“, und doch breitete sich dieses neue Gottvertra­uen aus wie ein

„Virus“. Menschen diverser Kulturen und sozialer Milieus, die sonst gar nicht zusammen passten, sprachen es an. Sie wurden allesamt durch die Taufe verbunden und setzten – trotz anfänglich­er Verfolgung – ihre Hoffnung auf diesen Jesus, in dem Gott ganz anders erfahrbar geworden war.

Dieses Ostergerüc­ht ist bis heute ansteckend! Dadurch, dass das „Covid-19-Virus“unser normales Leben „verrückt“hat, können wir Jesu Botschaft viel besser verstehen: Nicht Ich-Bezogenhei­t, sondern Solidaritä­t; nicht Anspruchsh­altung, sondern freiwillig­er Verzicht führen aus der Krise und eröffnen neues Leben. Diese „Medizin“ist kraftvoll. Sie stärkt nicht nur unser Immunsyste­m, sondern aktiviert auch Nächstenli­ebe!

Ihnen frohe, gesegnete Ostern!

Der Autor ist evangelisc­her Pfarrer in Rheydt.

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FOTO: OLAF NÖLLER Ein Grabstein auf dem Evangelisc­hen Friedhof Odenkirche­n.

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