Rheinische Post Viersen

So funktionie­ren Fantasiere­isen

Die Psychother­apeutin Gunda Frey erklärt, wie Eltern jetzt helfen können, Ängste von Kindern zu mindern.

- VON HOLGER HINTZEN FOTO: JANA BAUCH

EICKEN Und plötzlich fällt die Schule aus. Wochenlang. Der Traum eines jeden Schülers – gewöhnlich. Doch die Corona-Krise und ihre Folgen sind nicht gewöhnlich. Sie verändern den Alltag und die Stimmung der Menschen. Und darum reagieren auch viele Kinder nicht mit wochenlang­em Entzücken auf das unverhofft­e Schulfrei. Sie sind vielmehr verunsiche­rt, dass sie nicht mehr in die Schule sollen. Davon ist Gunda Frey überzeugt. Und auch davon, dass in Zeiten, in denen so viele für die Ferien geplante Urlaubsrei­sen ausfallen, eine Methode helfen kann, welche die Kinder- und Jugendlich­en-Psychother­apeutin auch in normalen Zeiten in ihrer Praxis in Eicken anwendet: Fantasiere­isen. „Bei emotionale­m Stress ist der ganze Körper in ständiger Anspannung. Fantasiere­isen helfen zu entspannen“, sagt die 50-Jährige. „Denn ob ich real Spaß habe oder mir Spaß nur ausdenke, ist dem Gehirn egal. Beides hat den gleichen entspannen­den Effekt.“

Kindliche Ängste sind auch in anderen Zeiten etwas Normales. „Kinder dürfen auch Ängste haben“, sagt Frey, sie gehörten zum Aufwachsen und zur kindlichen Entwicklun­g dazu. Zwei- bis Vierjährig­e hätten typischerw­eise Angst vor Dunkelheit und Alleinsein, Vier- bis Sechsjähri­ge vor Monstern und anderen Fantasiewe­sen, Sieben- bis Zehnjährig­e vor Versagen und Krankheite­n. Auf ihrer Internetse­ite, auf Instagram und YouTube gibt die Therapeuti­n in diesen Tagen viele Tipps, wie Familien mit der Ausnahmesi­tuation umgehen sollten und wie Eltern ihren Kindern in diesen Tagen helfen können.

Eine Fantasiere­ise als eine Art kreative Meditation kann ein Weg sein, abzuschalt­en und zu entspannen – nicht nur für Kinder. Ein bevorzugte­s Reiseziel: ein Ort, an dem man sich sicher und geborgen fühlt. Damit das aber so funktionie­ren kann und Kinder im normalen, fantasievo­llen Spiel nicht genau die Belastunge­n durchspiel­en, die sie erleben, sei es wichtig, einen Reiseführe­r zu haben, sagt Frey. Der soll die Fantasie des Kindes zwar nicht rigide mit einer Flut von Details ersticken. Aber er soll die Reise schon steuern.

„Wichtig ist es, einen positiven

Rahmen dafür zu schaffen“, sagt Frey. Also nicht einfach nur: „So, jetzt machen wir mal den Fernseher aus und stellen uns vor...“Sondern: es sich gemütlich machen auf dem Sofa, vielleicht mit einer Decke eine Höhle bauen, eine Tasse Kakao dazu, tief durchatmen und versuchen, den Atem zu spüren, sich auf seine Sinne fokussiere­n – kurzum: Auf Wohlfühl-Atmosphäre und Achtsamkei­t kommt es an. Und dann kann die Reise in Gedanken

starten: in die Berg oder ans Meer...

„Damit Kinder nicht völlig abschweife­n, sollten Eltern einen Leitfaden geben“, empfiehlt Frey. Also mal die ein oder andere Anregung einstreuen – vielleicht eine Blumenwies­e anbieten – und auch mal fragen: „Wie sehen die Berge denn aus? Kannst du dir das vorstellen?“Der Reiseleite­r sollte langsam erzählen, Sprechpaus­en machen, damit sich die Fantasie der Kinder auch entfalten kann. Wer regelmäßig mit

Kindern auf Gedankenre­ise gehen will, kann sich auch eine Geschichte­n-Serie ausdenken. Frey hat da sofort einige Ideen: „Man könnte etwa jeden Tag ein Abenteuer erleben: eine Schatzkist­e finden, eine Riesenschi­ldkröte treffen oder in der Unterwasse­rwelt mit Delfinen schwimmen...“

Solche Fantasiere­isen seien keine simple Flucht aus der Realität, sagt Gunda Frey. „Wichtig ist, dass Kindern die Möglichkei­t gegeben wird ihre Ängste auszudrück­en und zu zeigen“, steht in einer Handreichu­ng, die die Therapeuti­n auf ihrer Internetse­ite veröffentl­icht hat. Denn: „Das Ausdrücken der Gefühle stärkt Kinder in ihrem Selbst und ermutigt sie mit ihren Ängsten umzugehen.“

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Für eine Fantasiere­ise sollte man sich eine angenehme Umgebung schaffen, sagt die Kinder- und Jugendlich­en-Psychother­apeutin Gunda Frey.

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