Rheinische Post Viersen

Action Medeor hilft trotz Corona-Krise

Die Corona-Krise erschwert die Arbeit von Action Medeor weltweit. Dabei sei die Unterstütz­ung jetzt noch wichtiger, sagt der neue Vorstandss­precher. In Deutschlan­d kann das Medikament­enhilfswer­ks nur bedingt helfen.

- VON EMILY SENF

VORST Die Flure sind leer und unbeleucht­et, der Empfang ist nachmittag­s nicht mehr besetzt, und der Großteil der rund 80 Mitarbeite­r befindet sich im Homeoffice. Auf den ersten Blick sieht es bei Action Medeor nach Stillstand aus. Zu den wenigen Verblieben­en aber gehören Lagerarbei­ter sowie Christoph Bonsmann und Sid Peruvemba aus dem Vorstand. Die Corona-Pandemie bedeutet für das Vorster Medikament­enhilfswer­k zwar große Veränderun­gen in den Arbeitsabl­äufen, aber von Stagnation kann nicht die Rede sein. „Gerade weil es Corona gibt, müssen wir weitermach­en“, sagt Peruvemba.

Action Medeor hat früh reagiert. Die erste interne Hygiene-Schulung wegen des Coronaviru­s gab es Ende Januar. Es wurden Desinfekti­onsspender errichtet und Putzpläne geändert, seitdem werden auch Türklinken und Handläufe regelmäßig gereinigt. Zudem wurden zusätzlich­e Laptops angeschaff­t, und inzwischen arbeiten die meisten der Mitarbeite­r von zu Hause aus. Wer doch nach Vorst kommt, sitzt im Einzelbüro. Die Kommunikat­ion läuft per E-Mail und über Telefonkon­ferenzen. „Der Zusammenha­lt ist sehr groß“, sagt Peruvemba. Er ist stolz, dass trotz allem „der Laden läuft“. Er betont: „Denn die Tragödien in der Welt existieren nach wie vor.“

Das Vorster Medikament­enhilfswer­k betreibt aktuell 25 Projekte in 15 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamer­ika. Diese haben im Schnitt ein Jahresbudg­et von mehreren Hunderttau­send Euro, kleinere liegen deutlich darunter. Damit verzeichne­t Action Medeor einen Projektums­atz von rund 5,5 Millionen Euro im Jahr. Viele der Projekte werden vom Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g und dem Auswärtige­n Amt kofinanzie­rt. Laut Peruvemba sind sie unter den derzeitige­n Bedingunge­n „für einen, vielleicht zwei Monate“gesichert. Danach werde man sehen müssen.

Denn zwar gebe es bislang keine Probleme bei der Verfügbark­eit etwa von Medikament­en. „Das Lager und die Bestellung­en befinden sich im Ausgleich“, sagt Peruvemba. Aber die Preise seien deutlich gestiegen. So habe Action Medeor vor der

Krise etwa 1,70 Euro pro Kilogramm Luftfracht aus China bezahlt, heute seien es acht bis zehn Euro. „Dadurch sind die Transportk­osten höher als die Materialko­sten“, sagt der Vorstandss­precher. Hinzu kommen die Schutzmaßn­ahmen für das Personal und Angebote zu Wucherprei­sen, Einmalmask­en zum 50-fachen Preis etwa. Auch Lieferkett­en für den

Warenversa­nd müssen teils neu organisier­t werden, wodurch es zumindest kurzfristi­g zu Engpässen kommen kann. Ist in einer Lieferung ein Paar Einweghand­schuhe mit drin, braucht es dafür neuerdings eine Ausfuhrgen­ehmigung. Bis die vorliegt, ruht der Versand.

Peruvemba sitzt in seinem Büro im ersten Stock des Gebäudes an der

St. Töniser Straße, blickt auf seine Hände und wägt mit ihnen ab: „Die Probleme, die vor Corona da waren, sind nicht weg“, sagt er. Peruvemba zählt beispielha­ft auf: Klimaverän­derung, Bürgerkrie­g in Syrien, Flüchtling­skrise und Heuschreck­enplage in Afrika. Die Hilfe im Ausland, Kernaufgab­e von Action Medeor, sei für viele Menschen teils überlebens­wichtig

– besonders jetzt. Auf der anderen Seite stünden die Auswirkung­en der Corona-Einschränk­ungen in Deutschlan­d und die enorme Sorge, die das eigene Land präge. „Das darf man nicht gegeneinan­der aufwiegen“, sagt Peruvemba.

Gerade erst hat Action Medeor die Feuerwehr Duisburg bei der Ausstattun­g eines Behelfskra­nkenhauses mit medizinisc­hem Equipment unterstütz­t. Eine Ausnahme, wie Peruvemba betont. Denn laut Satzung darf das Medikament­enhilfswer­k nur bedingt im eigenen Land tätig werden. Und Anfragen etwa nach hygienisch­em Material könnten derzeit ohnehin nicht bedient werden. „In den Fällen konnten wir nicht helfen, weil wir selbst nichts mehr haben“, sagt Peruvemba. „Es ist nichts mehr verfügbar.“Er selbst hat seinen Posten erst vor Kurzem von seinem Vorgänger Bernd Pastors übernommen. Die Situation derzeit sei nicht einfach, aber nach 30 Jahren in der Katastroph­enhilfe „entwickelt man eine Routine im Umgang mit Krisen“, sagt er. Peruvemba war in unterschie­dlichen Funktionen beim Malteser Hilfsdiens­t tätig.

Bei all den Katastroph­en in der Welt, zu denen nun auch noch das Coronaviru­s hinzukommt – denkt man da auch mal ans Aufgeben? „Niemand im Team denkt: Das bringt alles nichts“, sagt Peruvemba. Denn die Mitarbeite­r seien davon überzeugt, dass sie etwas Gutes tun. „Wir retten nicht die Welt, aber wir machen sie an vielen Orten für viele Menschen schöner, lebenswert­er und angenehmer“, sagt der 53-Jährige und verweist auf Ostern als das Fest der Hoffnung: „Diese Krise wird wie jede einmal ein Ende haben. Es ist gut, sich daran zu erinnern.“

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RP-FOTO: SENF Sid Peruvemba ist von seiner Arbeit in der Katastroph­enhilfe den Umgang mit Krisen gewöhnt.

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