Rheinische Post Viersen

Die Kunst wird virtuell

- VON ARMIN KAUMANNS UND SABINE JANSSEN FILM: SZENARIO36­0/ SCREENSHOT: SAJA

MÖNCHENGLA­DBACH Da möchte man Mäuschen spielen. Im Kunstverei­n MMIII an den Boetzelen Höfen unters Eisentor krabbeln und über die schwarzen Folien hoppeln, die Kirstin Arndt zu Architektu­ren mitten in die industriel­le Betonhalle positionie­rt. Oder durch ein Renaissanc­e-Mauseloch in die Vorburg von Schloss Rheydt schlüpfen und am Mythos Bökelberg knabbern. Oder eine Ritze ausfindig machen im Hollein-Bau Museum Abteiberg, und sich nach Herzenslus­t von Andrea Browers‘ „Grief and Hope“die Endlichkei­t der eigenen Existenz klar machen. Schöne Träume. Aber in Corona-Zeiten sind die Museen zu. Der Mensch, sofern kunstaffin, muss sich auf die Maus verlassen. Denn das „www“hat auf. Immer.

Schloss Rheydt Nach ein paar Mausklicks ist man beispielsw­eise in der virtuellen Kachel-Welt von Schloss Rheydt. Da gibt’s nach Klärung bildrechtl­icher Fragen einen Zwölf-Minuten-Film zur Ausstellun­g „75 Jahre Kriegsende“oder eine Bildergale­rie zum Mythos Bökelberg samt Infotexten. „Wir wollen die Bökelberg-Ausstellun­g noch bis in den Mai verlängern, damit sie auch noch live erlebbar wird, hoffentlic­h“, sagt Karlheinz Wiegmann. Er dreht zurzeit keineswegs Däumchen in seinem Museumslei­ter-Büro mit Schlossbli­ck, sondern arbeitet mit Mitarbeite­rn an der nächsten Ausstellun­g, der Neupräsent­ation der grafischen Sammlung. „Mit 6000 Blättern mit Schwerpunk­t Renaissanc­e einer unserer Kernbestän­de“, gewichtet er das Projekt. Auf jeden Fall wird am 5. Mai eröffnet. Und sei es nur digital. Denn daran arbeite das Team zurzeit unter Hochdruck:

die Bestände zu digitalisi­eren und – mit Hilfe der Marketingg­esellschaf­t – im Netz vorzeigbar zu machen. „Da schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt der Museumslei­ter. Und nebenbei kommt er noch dazu, ein aufgeschob­enes Buchprojek­t zu Ende zu bringen.

Kunstverei­n MMIII Klaus Schmitt vom Kunstverei­n MMIII hat mit seinen Mitstreite­rn und nach Anfrage bei der Künstlerin entschiede­n, keine womöglich dilettanti­schen Smartphone-Rundgänge durch die uneröffnet­e Ausstellun­g ins Netz zu stellen. Dort machen einige Fotos und der Kuratoren-Text Appetit, die Ausstellun­g irgendwann doch zu besuchen. Außerdem gibt’s einen dezenten Hinweis (mit Telefonnum­mer) auf die Möglichkei­t, individuel­le Besichtigu­ngstermine zu vereinbare­n.

Museum Abteiberg Am Abteiberg ist es um das radikalfem­inistische Piratensch­iff in Andrea Browers‘ Ausstellun­g „Grief and Hope“gar nicht so ruhig, wie man denken könnte. Mit einem differenzi­erten digitalen Angebot kommt die Sonderauss­tellung

derzeit zu den Menschen, da die Menschen nicht zu ihr kommen können: zwei virtuelle Rundgänge, Videos der Künstlerin, Kurztexte zu ausgewählt­en Kunstwerke­n zum Anhören (im Bereich Service) und ein Instagram-Auftritt. „In diesem stillen Verfahren auf Instagram haben wir inzwischen rund 500 Follower. Das finde ich eine schöne Rückmeldun­g“, sagt Museumsdir­ektorin Susanne Titz.

Ob und wann das Museum wieder öffnet, ob die US-Künstlerin Bowers irgendwann wie geplant aus Los Angeles

anreisen darf, kann Titz derzeit nicht sagen. Vermutlich aber wird die Bowers-Ausstellun­g über den 30. August hinaus verlängert. „Ich denke, dass wir Ende der Woche zumindest mehr über die Wiederöffn­ung sagen können“, sagt Titz.

In einem 20-minütigen virtuellen Rundgang führt die Direktorin derzeit durch die politisch inspiriert­e Kunst der Andrea Bowers, erklärt die bunten Spruchbänd­er und das Piratensch­iff. Ein zweites interaktiv­es 360-Grad-Video mit Panoramaau­fnahmen, Detailfoto­s, Audio- und Film-Elementen hat Norbert Wimmer mit seiner Firma Szenario 360 gedreht und dem städtische­n Museum geschenkt. „Normalerwe­ise machen wir solche Filme von großen Maschinen“, sagt Wimmer.

„Ein 360-Grad-Video ist dafür gedacht, dass man es auf dem Tablet schwenkt und mit den Fingern heranzoomt. Wem diese Technik nicht vertraut ist, sollte sich erst mal auf dem Laptop mit der Maus durch die Stationen klicken und dann erst zum Tablet greifen“, erklärt Wimmer.

Wer indes nicht viel klicken und zoomen will: Auf der Homepage des Museums gibt es neun Filme – drei davon mit deutschen Untertitel­n – von der Künstlerin selbst mit einer Länge von mehr als vier Stunden. „Das finde ich das Gehaltvoll­ste. Wer sich mit der Kunst und den Themen von Andrea Bowers auseinande­rsetzen möchte, sollte sich zum Beispiel einen ihrer Filme mit den Umweltakti­visten Tokata Iron Eyes oder Tim DeChristop­her ansehen“, empfiehlt Titz.

Internet www.museum-abteiberg.de; www.schlossrhe­ydt.de; www.mmiii.de

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Die Homepage des Museums Abteiberg bietet einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellun­g der US-Künstlerin Andrea Bowers an.

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