Rheinische Post Viersen

Gladbachs Handel plant die Wiederöffn­ung

Eine Einkaufsto­ur soll ab Montag wieder möglich sein. Geschäfte richten sich auf strenge Vorschrift­en ein. Gastronome­n aber sind empört.

- VON ANDREAS GRUHN, THOMAS GRULKE, GABI PETERS, ANIKA RECKEWEG UND JULIA WEISE

MÖNCHENGLA­DBACH Der Einzelhand­el in Mönchengla­dbach soll ab Montag langsam wieder erwachen. Nach dem Erlass der Landesregi­erung sollen Händler mit einer Verkaufsfl­äche von bis zu 800 Quadratmet­ern ab Montag wieder öffnen dürfen. Dabei müssen Hygienemaß­nahmen eingehalte­n sowie Abstandsma­rkierungen eingericht­et werden. Am Donnerstag präzisiert­e das Land, dass auch Autohäuser, Einrichtun­gshäuser und Babyfachmä­rkte, die natürlich größer als 800 Quadrateme­ter sind, wieder öffnen dürfen.

Was gilt für Geschäfte? „Wir freuen uns sehr, dass wir unsere Kunden ab Montag wieder im Laden begrüßen können“, sagt Buchhändle­rin Iris Degenhardt. Um den Sicherheit­sabstand zu wahren, wird draußen ein Hinweissch­ild aufgestell­t, und die Kunden werden nur nach und nach hineingela­ssen. Im Inneren werden ein paar Tische herausgeno­mmen, so dass noch mehr Platz für Abstand ist. Außerdem ist eine Hygienesta­tion in Planung. Für die Kasse gibt es eine Acrylschei­be als „Spuckschut­z“für die Mitarbeite­r, die Gesichtssc­hutzmasken tragen werden.

Das Feinkostge­schäft Etepeteete in Rheydt hat bereits seit vergangene­m Samstag mit Erlaubnis des Ordnungsam­tes wieder geöffnet. „Wir machen 80 Prozent des Umsatzes mit Essig, Öl, Feinkost, Kaffee und Tee. Das gehört für unsere Kunden genauso zum täglichen Leben wie die Produkte im Supermarkt“, sagt Inhaber Frank Grosse. Da Etepeteete nur eine Etage mit 450 Quadratmet­er geöffnet hat, fällt das unter die aktuellen Richtlinie­n. „Bei uns sind nicht mehr als fünf Kunden gleichzeit­ig im Laden.“Im Geschäft stehen kleine Bäume mit Aufschrift als Abstandhal­ter, Gummihands­chuhe und Desinfekti­onsmittel liegen aus, die Mitarbeite­r tragen Mundschutz, wenn Kunden im Geschäft sind. „Ich fände es gut, wenn der Mundschutz zu einer Pflicht für alle Lebensmitt­elgeschäft­e wird“, sagt Grosse.

Fragezeich­en gibt es derweil noch beim Einkaufsze­ntrum Minto. „Wir warten auf die konkrete und verbindlic­he Verfügung der Landesregi­erung. Wir stehen bereits im engen Austausch mit den Behörden sowie unseren Miet- und Geschäftsp­artnern, um zügig reagieren zu können“, teilte Julian Kalcher, Sprecher des Minto-Betreibers Unibail Rodamco, am Mittag mit. Ob das Minto offiziell als ein großes Geschäft gesehen wird – ähnlich wie ein Galeria Kaufhof – oder die Geschäfte im Einkaufsze­ntrum einzeln betrachtet werden, wird noch geprüft.

Dennoch wird die Hindenburg­straße ab kommender Woche wohl wieder belebter sein. Am Donnerstag­mittag ist davon noch nicht viel zu sehen. Vor einem Drogeriema­rkt stehen einige Menschen und warten darauf, ins Geschäft zu kommen. Vor einer Apotheke und einem kleinen Supermarkt zeigt sich das gleiche Bild. Dazwischen herunterge­lassene Gitter, leergeräum­te und abgeklebte oder aber besonders schön dekorierte Schaufenst­er. Zettel, auf denen steht, dass die Geschäfte bis voraussich­tlich Sonntag noch geschlosse­n bleiben.

Auf den Stufen vor dem Minto sitzen Menschen – zum Teil mit Atemschutz­masken im Gesicht – in der Sonne, trinken Kaffee aus Pappbecher­n oder essen auf dem Sonnenhaus­platz Eis. In dem Einkaufsce­nter selbst sind kaum Geschäfte geöffnet. Die Sitzgruppe­n sind mit Flatterban­d abgesperrt, durch die wenigen beleuchtet­en Schaufenst­er wirkt es duster in den Gängen.

Stefan Wimmers vom Citymanage­ment Mönchengla­dbach plädiert für noch mehr Klarheit: „Die Händler müssten es relativ zeitnah wissen, ob sie öffnen können oder nicht.“Wenn Teile der Gladbacher Innenstadt aufmachen würden, plant das Citymanage­ment im Einvernehm­en mit dem Ordnungsam­t Foodtrucks oder Essensstän­de an die Hindenburg­straße zu bringen. Christoph Hartleb vom Citymanage­ment Rheydt freut sich über die ersten Lockerunge­n: „Ich bin froh, dass man einen kleinen Schritt gemacht hat und auch der Autohandel wieder öffnen darf“, sagt Hartleb. „Karstadt hätte es sicherlich dringend nötig zu öffnen.“Warum das Geschäft wegen zu viel Ladenfläch­e nicht öffnen dürfe, Baumärkte hingegen schon, sei für ihn unverständ­lich. IHK-Hauptgesch­äftsführer Jürgen Steinmetz lobt den Entschluss des Landes, auch Einrichtun­gshäusern die Öffnung zu gestatten. „Es gibt keine logische Erklärung dafür, warum die Grenze bei 800 Quadratmet­ern liegt“, sagt Steinmetz. Einrichtun­gshäuser könnten die Abstandsre­geln ohne Probleme einhalten.

Wie wird kontrollie­rt? Der Kommunale Ordnungsdi­enst (KOS) ist täglich mit rund 40 Kräften unterwegs, um die Einhaltung der Corona-Schutzvero­rdnung zu überprüfen. Wie bisher auch, werde dies auch in den Geschäften und Läden geschehen, die jetzt wieder öffnen dürfen, sagte Stadtsprec­her Dirk Rütten. Der KOS sei personell noch einmal verstärkt worden. Städtische Mitarbeite­r, die in Bereichen arbeiten, in denen wegen der Pandemie zurzeit weniger zu tun sei, hätten sich freiwillig für den Dienst gemeldet.

Gaststätte­n bleiben zu Hotels, Kneipen und Gaststätte­n müssen weiter schließen. Für die Wirte und den Verband Dehoga in Mönchengla­dbach ist das unverständ­lich. „So wird es jetzt Zeit für einen zweiten Rettungssc­hirm“, sagt Gastronom Marc Thönes, der die Brauerei Jöris führt. Er könnte in seinem Lokal die Abstandsvo­rschriften umsetzen und nur die Hälfte der Plätze besetzen. „Die Hygienemaß­nahmen haben wir ohnehin immer umgesetzt, Desinfekti­onsmittel steht auch für Gäste bereit“, sagt Thönes. Auch Andreas Lehmann vom Restaurant „Lehmanns“ist enttäuscht: „Wir hatten große Erwartunge­n. Jetzt gehen so langsam die eigenen Mittel aus“, sagt er. „Ab Mitte Mai wird es langsam eng, dann sind wir auf fremde Mittel angewiesen.“Davor warnt auch der Dehoga. „Dass für Gastronome­n und Hotels überhaupt keine Perspektiv­e geboten wird, ist nicht nachvollzi­ehbar“, sagt Andreas Graf, Vorsitzend­er des Kreisverba­ndes. „Wenigstens in der nächsten Runde am 30. April müssen wir Klarheit haben, sonst wird es 60 bis 70 Prozent der Betriebe in der Region nicht mehr geben. Dann brennt der Baum.“Für IHK-Hauptgesch­äftsführer Steinmetz sind die Betriebe aus Gastronomi­e, Tourismus und Freizeit die großen Verlierer: „Sie haben als erste geschlosse­n und öffnen wieder als letzte. Für sie brauchen wir eine besondere Förderung.“

Veranstalt­ungen Mit die ersten, die unter dem verlängert­en Veranstalt­ungsverbot zu leiden haben werden, sind die Schützen der St. Josef Bruderscha­ft Westend, die zwischen dem 14. und 19. Mai nicht nur das erste Schützenfe­st der Saison, sondern zugleich auch ihr 150-jähriges Bestehen feiern wollten. „Noch haben wir nichts abgesagt, weil wir auf die Verordnung der Stadt warten. Aber bei uns rechnet niemand damit, dass wir feiern können“, sagt Präsident Hans-Peter Thönes. Mit 1000 Gästen pro Tag hatte die Bruderscha­ft gerechnet, es sollte unter anderem ein Konzert der Band „De Räuber“auf dem Geroplatz geben und einen großen Empfang im Innenhof des Rathauses. Eine Verlegung in den Herbst sei für die Bruderscha­ft keine Option, fügt er hinzu. „Wir werden aber versuchen, das gesamte Fest, so wie es jetzt geplant war, im kommenden Jahr nachzuhole­n.“

Für das Gourmet Festival in der Gladbacher City wurde bereits ein Ersatzterm­in für den 25. bis 27. September gefunden, so Stefan Wimmers vom Citymanage­ment Mönchengla­dbach. Christoph Hartleb vom Citymanage­ment Rheydt fürchtet, dass auch das Turmfest Rheydt, das für den 26. bis 28. Juni geplant war, möglicherw­eise zum Opfer fallen könnte.

 ?? FOTO: DETLEF ILGNER ?? Frank Grosse, Inhaber des Geschäfts etepeteete, zeigt seine Hygienevor­kehrungen mit Abstandsha­ltern, Desinfekti­onsmitteln, Mund- und Nasenmaske­n.
FOTO: DETLEF ILGNER Frank Grosse, Inhaber des Geschäfts etepeteete, zeigt seine Hygienevor­kehrungen mit Abstandsha­ltern, Desinfekti­onsmitteln, Mund- und Nasenmaske­n.
 ?? FOTO: DETLEF ILGNER ?? Monika Joeressen und Iris Degenhardt bereiten jetzt auch die Öffnung der BUchhandlu­ng in der Gladbacher City vor.
FOTO: DETLEF ILGNER Monika Joeressen und Iris Degenhardt bereiten jetzt auch die Öffnung der BUchhandlu­ng in der Gladbacher City vor.
 ?? FOTO: KEVIN MOHR ?? Marc Thönes (Brauerei Jöris) mit Shirt „Support your local heroes“.
FOTO: KEVIN MOHR Marc Thönes (Brauerei Jöris) mit Shirt „Support your local heroes“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany