„Exit“in Corona-Zeiten
Es war sicher eines der meistgebrauchten Worte dieser Woche: „Exit“. „Ausgang“. Raus aus den Beschränkungen, die derzeit unser Alltagsleben bestimmen. Das Wort „Exit“ist für mich untrennbar mit der Gladbacher Münsterbasilika und mit Joseph Beuys verbunden. Er, einer der größten Künstler des 20. Jahrhunderts, hatte dieses Wort am Karfreitag 1972 in das Hauptportal des Gotteshauses geritzt. Von außen. Beuys wollte deutlich machen: He, Kirche, das ist euer Ausgang. Macht ihn auf und lasst frische Luft hinein. Seine Botschaft auf den ersten Blick. Doch irgendwie steckt noch mehr dahinter.
„Exit“… Sieht man solche Hinweisschilder im echten Leben nicht immer in Innenräumen als Hinweis auf den Ausgang? Wenn es drauf ankommt – dann kommst du hier hinaus. Kannst dich retten, kommst nach draußen, da, wo es offen wird, wo du dich in Sicherheit bringen kannst. Es hat mich schon sehr nachdenklich gemacht, dass bei der „Exit-Strategie“, auf die sich Bund und Länder am Donnerstag geeinigt haben, verfassungsmäßig geschützte Rechte wie die Religionsfreiheit und das Recht auf öffentlichen Gottesdienst anscheinend nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Ja – man hat sich bedankt bei den Religionsgemeinschaften und Kirchen, dass sie sich am Kampf gegen das
Virus beteiligt haben. Und dennoch: Keine Überlegung in Richtung: „Wie können wir das Recht auf öffentlichen Gottesdienst wieder ermöglichen?“Gut, in diesen Tagen wird es Gespräche zu diesem Thema geben, die der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche zurecht angemahnt haben. Aber dennoch: Ein schaler Beigeschmack bleibt. Dabei wäre es doch wichtig, die Möglichkeit zum „Exit“in jeglicher Hinsicht verantwortbar auch für das geistliche Leben der Menschen zu geben. In dem Sinne, den die Beuys’sche Inschrift im Münsterportal zeigt: Hier ist der Ausgang aus der Welt, die dich vielleicht so sehr bedrückt. Hier findest du einen Raum, in dem du einfach sein darfst, der dir Ruhe gibt, der dich wieder mit Lebenskraft erfüllen kann.
Christenmenschen haben Kirchen immer wieder gebaut und ausgestattet als ganz besondere Orte auch in höchster ästhetischer Qualität, Orte, die sich total vom gewohnten alltäglichen Einerlei abheben. Deshalb: Lasst uns die Möglichkeit zum „Exit“nutzen. Lasst uns den „Exit“in dieser Krise und damit auch aus dieser Krise wagen. Lasst uns mutig die Wege des Glaubenslebens gehen. Das sollte – das muss auch in der Krise verantwortbar und kreativ umgesetzt möglich sein.
Ulrich Clancett ist Pfarrer an St. Jakobus Jüchen.