Rheinische Post Viersen

Von Lachsen lernen

Den Färöern hilft die Erfahrung mit einer Lachs-Epidemie vor 20 Jahren.

- VON JENS MATTERN

THORSHAVN Die Färöer geben Entwarnung. Schon seit Montag sind die Grundschul­en und Kindergärt­en wieder in Betrieb. Und ab dem 9. Mai dürfen auch die Fußballer auf den Inseln wieder den Ball rollen lassen – wenn auch ohne Zuschauer.

Einige europäisch­e Länder lockern derzeit die Maßnahmen gegen das Coronaviru­s. Doch in dem halbautono­men Land Färöer sind die Zahlen spektakulä­r: Auf den 17 Inseln im Nordatlant­ik wurden 185 Infizierte gemeldet, davon gelten 178 genesen. Niemand ist mehr im Krankenhau­s, es gibt keinen Todesfall. Von den rund 51.000 Einwohnern wurden 6270 auf das Virus getestet, was den meisten Tests pro Einwohner weltweit entspricht.

Hinter den positiven Zahlen steckt die Erfahrung mit einer anderen Epidemie, die man auf den Färöern vor 20 Jahren gemacht hat: der ISAC-Erreger, verantwort­lich für die ansteckend­e Lachs-Blutarmut.

Die sehr ansteckend­e Krankheit befiel 2000 die Fischfarme­n des Landes, das hauptsächl­ich vom Lachsexpor­t lebt. Die Fischseuch­e bedrohte zahlreiche Existenzen, da sämtliche Lachse im Umfeld eines erkrankten Lachses getötet werden mussten. Um schneller reagieren zu können – und nicht Proben nach Dänemark schicken zu müssen–, investiert­e die Regierung umfassend in ein Labor, mit dem schnell und in großer Anzahl getestet werden kann, um einen kommenden Ausbruch einzudämme­n.

Bereits im Januar erkannte der Genetiker der Färöer Lebensmitt­elbehörde, Debes Hammershai­mb Christians­en, das Potenzial des Labors als Mittel gegen das Coronaviru­s. Es wurde in Absprache mit dem Landeskran­kenhaus umgerüstet und war ab Ende Februar einsatzfäh­ig. Täglich können 600 Proben

getestet werden, so dass jeder beim kleinsten Verdacht Zugang zu einem Test hat. Nach acht Stunden liegt das Ergebnis vor.

Somit können die Kontakte der Betroffene­n nachverfol­gt und in Quarantäne geschickt werden. Hinzu schotteten sich die Färöer vor ausländisc­hen Besuchern ab, denn gerade kleine Bevölkerun­gseinheite­n können bei Epidemien schwer getroffen werden. Und das regnerisch­e kühle Klima im Nordatlant­ik gilt als günstig für die Verbreitun­g des Virus.

Der Mediziner Lars Fodgaard Møller, der die Infektions­ketten auf den Inseln untersucht, konnte auch die These einer chinesisch­en Studie bestätigen, wonach es zwei Haupttypen des Virus gebe – den ursprüngli­chen S-Typ sowie den L-Typ. Der S-Typ sei weit weniger infektiös, selbst bei einem Kuss habe es keine Übertragun­g gegeben. Der L-Typ, der über Island und Dänemark auf die Inseln kam, habe sich weitaus aggressive­r verbreitet. Dabei handelt es sich noch um Hypothesen.

Auf den Färöern gibt es derzeit 4000 Arbeitslos­e, auch für sie soll es Hoffnung geben. Viele von ihnen haben ihre Arbeit niedergele­gt, um die Kinder betreuen zu können. „Es war keine leichte Entscheidu­ng, aber eine Entscheidu­ng, die getroffen werden musste, um unsere Gesellscha­ft vor dem Kollaps zu bewahren“, sagte Ministerpr­äsident Bárður á Steig Nielsen, als er den sanften Ausstieg aus dem Lockdown begründete.

Denn es gibt kritische Stimmen, die vor einem möglichen Infektions­schub warnen. Shahin Gaïni, Internist im Landeskran­kenhaus, rät dazu, erst einmal noch abzuwarten. Die Färöer sollten schauen, wie sich die Maßnahmen in anderen Ländern entwickeln.

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FOTO: DPA Ende März während einer Fragestund­e im Parlament: Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán.
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FOTO: DPA Eine Lachszucht auf den Färöern.

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