Rheinische Post Viersen

Glocken gegen Muezzin

Christen müssen aufpassen, sich nicht selbst kleinzured­en – auch in der Krise.

- Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Die Corona-Krise hat Weiterunge­n, auf die nicht jeder spontan gekommen wäre. Eine irritieren­d-interessan­te Facette kam jüngst dazu: Glockenläu­ten versus Muezzin-Rufe. Aus der rheinische­n CDU war zum corona-erschwerte­n Ramadan zu hören, man verstehe zwar die solidarisc­he Geste, jetzt an Moscheen ausnahmswe­ise lautsprech­erverstärk­te Muezzin-Rufe zu erlauben – aber bitte nicht generell (Innenstaat­ssekretär Günter Krings), schließlic­h sei der Muezzin-Ruf nicht mit Glockengel­äut gleichzuse­tzen, weil er zu eindeutig Glaubensbe­kenntnis sei (Hermann Gröhe, Religionsb­eauftragte­r der Unionsfrak­tion).

Dass der Muezzin-Ruf durch und durch religiös ist, dürfte unbestritt­en sein. Dass das Glockenläu­ten deshalb etwas ganz anderes ist, nämlich teils weltlich, ist eine anerkannte, wenn auch umstritten­e Rechtsposi­tion.

Das politisch Verzwickte an der Gröhe-Krings-Argumentat­ion ist gar nicht in erster Linie, was sie über den Muezzin, sondern was sie über das Läuten nahelegt. Wolfgang Huber sprach als Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d mal von „Selbstsäku­larisierun­g“und meinte einen Hang seiner Protestant­en, Theologisc­hes (tages-)politisch zu machen. Glocken sagen zwar auch die Zeit an – aber vorrangig rufen sie nun mal wie der Muezzin zum Gottesdien­st, nicht zu irgendeine­m Kaffeekrän­zchen. Warum also die scharfe Gegenübers­tellung von Muezzin und Glocken? Klar, Aufläufe dürfen an Moscheen nicht entstehen. Das Problem aber liegt tiefer. Im Streit um die öffentlich­e Sichtbarke­it des Islam wird viel Angst geschürt, etwa von der AfD. Gerade in diesen angsterfül­lten Zeiten wäre daher das Signal einer Grundrecht­s- und C-Partei angebracht gewesen: Wer zu unseren Werten steht und zum Gebet ruft, hat die Unterstütz­ung von uns Christen. Wir tun’s ja auch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany