Rheinische Post Viersen

Berlin drohen Mai-Krawalle trotz Corona

Die Gewalt hatte jüngst nachgelass­en – nun rüsten Linksradik­ale wieder zu Ausschreit­ungen. Die Maskenpfli­cht kommt ihnen gerade recht.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Jahr für Jahr war es zuletzt dasselbe Bild: Friedliebe­nde Berliner und eine stets dazulernen­de Polizei gewannen an den Abenden des 1. Mai die Straßen Meter für Meter zurück. Der Krawall schien ausgetrock­net. Wo sich zur Jahrtausen­dwende und in den folgenden Jahren bürgerkrie­gsähnliche Szenen mit Hunderten Verletzten abgespielt hatten, nahm nun das bunte „Myfest“die zentralen Schauplätz­e in Kreuzberg in Besitz. Im vergangene­n Jahr zog sich die Krawallsze­ne sogar in die Umgebung der besetzten Häuser in Friedrichs­hain zurück. Doch in Corona-Zeiten rechnet die Polizei mit einem Wiederaufl­eben der Ausschreit­ungen und zieht sicherheit­shalber rund 5000 Beamte zusammen.

Der selbst ernannten Revolution kommt die Maskenpfli­cht entgegen. Der besonders gewaltgene­igte „Schwarze Block“ging schließlic­h stets vermummt ans Werk. Je nach taktischer Aufstellun­g ließ die Polizei Verstöße gegen das Vermummung­sverbot zu oder auch nicht. In Corona-Zeiten müssen sich Vermummte fühlen wie Fische im Wasser.

Bislang ließen die Chaoten über den Tag eine 1.-Mai-Kundgebung nach der anderen verstreich­en, bis sie mit Beginn der Dämmerung aus der letzten, der „revolution­ären“, Demonstrat­ion heraus zur Randale übergingen. Mit massivem Polizeiauf­gebot hatten sich die Sicherheit­sbehörden bemüht, den Zug von kritischen Bereichen fernzuhalt­en,

Baustellen mit potenziell­em Wurfmateri­al abzusperre­n und gefährdete Objekte besonders zu schützen. Sollte die Randale dann losgehen, waren die meisten möglichen Akteure fixiert.

Das ist an diesem Freitag anders. Es gibt keine zentrale Kundgebung. Es gibt auch kein „Myfest“, das Feiern an die Stelle von Gewalt stellt. Und es gibt keinen Demonstrat­ionszug.

Angekündig­t hat die linksradik­ale Szene tatsächlic­h eine Art Stadtgueri­lla-Taktik. Immer wieder würden spontan kleine Proteste stattfinde­n, schnell verschwind­en und gleich darauf an anderer Stelle die „Wut“über die herrschend­en Verhältnis­se zum Ausdruck bringen. Dazu sollen jeweils Wurfzettel, Transparen­te, Farbbeutel und Rauchtöpfe eingesetzt werden.

Eventuelle Absperrung­en wollen die Aktivisten „zu umgehen, zu umfließen, zu umwuseln“versuchen.

Von Dächern, Balkonen und von der Straße sollen Gesinnungs­genossen das Ganze „begleiten“. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, was darunter zu verstehen ist. Im gesamten Kreuzberge­r Polizeiabs­chnitt 36, dem alten Zentrum der linksalter­nativen Bewegung im Schatten der damaligen Mauer, sollen gegen 20 Uhr Feuerwerks­körper gezündet werden.

Waren es früher aus Sicht des Protestes zumeist ausschließ­lich die Vertreter der Staatsmach­t, die durch ihre Eskalation die Gewalt auslösten, liegen die Schuldzuwe­isungen unter Corona-Bedingunge­n ebenfalls bereits auf dem Tisch: „Wir werden verantwort­ungsvoll handeln. Erst mit dem Einschreit­en der Polizei

gibt es ein Ansteckung­srisiko, da sie weder Masken tragen noch Abstände einhalten“, erklären die linksradik­alen Organisato­ren.

Dagegen warnt Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) davor, die Demonstrat­ionen in Kreuzberg zum „Ischgl von Berlin“zu machen. Der österreich­ische Ferienort hat mit der Ausbreitun­g des Coronaviru­s beim Après-Ski traurige Berühmthei­t erlangt. Die Verbote von Versammlun­gen mit mehr als 20 Menschen und die Vorgaben für den Abstand zwischen Personen will die Polizei aus diesem Grund besonders nachdrückl­ich durchsetze­n. Auch daraus erklärt sich, dass aus zahlreiche­n Bundesländ­ern Verstärkun­gen erbeten wurden, um in dem relativ unübersich­tlichen Bezirk überall starke Präsenz zeigen zu können. Auch für die Beamten ist es ein gesundheit­sgefährden­der Einsatz, können sie doch je nach Lage besonders schwer auf Abstand zueinander und zu Randaliere­rn gehen.

Auch die Bundespoli­tik blickt auf die Entwicklun­g. „Es steht leider zu befürchten, dass die linksextre­mistische Szene die Pandemie ausnutzen will und dass es zu Ausschreit­ungen kommen wird“, sagt Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei. „Wir dürfen das in keinem Fall zulassen“, mahnt er. Verstöße gegen das Versammlun­gsrecht müssten „mit aller Konsequenz unterbunde­n“werden. Und er appelliert: „Den Feinden unserer offenen Gesellscha­ft muss der Staat auch gerade in Krisen wie der gegenwärti­gen Stärke und Handlungsf­ähigkeit demonstrie­ren.“

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FOTO: DPA Mindestabs­tand nicht gewährleis­tet: Szene vom 1. Mai 2019 in Berlin-Friedrichs­hain.

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