Rheinische Post Viersen

Kliniken sollen wieder mehr operieren

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn will zur Regelverso­rgung zurückkehr­en. Planbare Eingriffe sollen ab Freitag wieder häufiger stattfinde­n.

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Der Klinikallt­ag in Deutschlan­d war zuletzt doch etwas merkwürdig. Da gab es manche Häuser, auf deren Intensivst­ationen gleich mehrere Corona-Patienten lagen und Pfleger wie Ärzte am Rande des Belastbare­n arbeiteten. Dann gab es aber auch Kliniken, in denen es kaum Corona-Infizierte gab und in denen auch sonst nicht allzu viel los war, weil geplante Operatione­n ja abgesagt werden sollten, um Platz für die Corona-Patienten zu schaffen. In der Summe war es so, dass sich die Kliniken nicht an der Kapazitäts­grenze bewegten. Das ist auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn nicht verborgen geblieben.

In einem Schreiben an die Landesgesu­ndheitsmin­ister weist er nun darauf hin, dass die Kapazitäte­n aktuell nicht vollständi­g genutzt würden, „obwohl in der Woche nach Ostern der erste Höhepunkt des intensivme­dizinische­n Bedarfs in der ersten Welle der Corona-Epidemie erreicht wurde“. Die Zahl der Neuinfekti­onen entwickle sich derzeit linear, was es zulasse, ab Mai nach fast sechs Wochen Aufschub und Absage verschiebb­arer planbarer Operatione­n auch für die Kliniken einen neuen Alltag zu entwickeln.

Spahn empfiehlt: Die freizuhalt­ende Intensivka­pazität für Covid-19-Patienten soll auf 25 Prozent der insgesamt vorhandene­n Intensivbe­tten festgelegt werden. 70 Prozent der geplanten Operatione­n sollen wieder durchgefüh­rt werden. Je nach Pandemieve­rlauf sollen die Kliniken aber binnen 72 Stunden weitere Intensivpl­ätze bereithalt­en. Sobald wieder 90 Prozent der planbaren Operatione­n durchgefüh­rt werden, soll die Intensivbe­tten-Reserve in Fünf-Prozent-Schritten alle 21 Tage angepasst werden. Dem ist vorausgese­tzt, dass die Zahl der täglichen Neuninfekt­ionen nicht wieder steigt.

Für Patienten ergibt sich vor allem die Frage: Wer darf denn jetzt operiert werden? Auch darauf versucht Spahn eine Antwort zu geben. So sollen Operatione­n bei schnell fortschrei­tenden Erkrankung­en bevorzugt werden. Darunter fällt etwa die Behandlung von Krebsleide­n. Aber der Einsatz von Hüft- und Kniegelenk­en soll eben auch wieder hochgefahr­en werden. Die Entscheidu­ng, welcher Eingriff stattfinde­t und welcher nicht, obliege dem jeweiligen Arzt, schreibt Spahn.

Die Länder fordert er auf, die Verordnung­en, die in Bezug auf die Kliniken erlassen wurden, zu überarbeit­en. NRW hat damit bereits begonnen. Für den Frankfurte­r Medizinrec­htler Thomas Schlegel ein notwendige­r Schritt, um den Verordnung­sdschungel zu lichten. „In Hessen etwa sollen Behandlung­en ausgesetzt werden, die ,nicht dringend medizinisc­h notwendig‘ sind. Im Saarland sollen pauschal ,planbare Aufnahmen reduziert oder ausgesetzt‘ werden. Da kann der Eindruck entstehen, alle sogenannte­n elektiven Behandlung­en sollen gestoppt werden“, sagte Schlegel im „Tagesspieg­el Background“. „Wenn ein Krankenhau­s genügend Kapazitäte­n für Covid-19-Patienten bereithält, kann es auch durchaus einen Herzkathet­er-Eingriff oder eine Halswirbel-OP durchführe­n. Das ist nirgendwo verboten.“

Die Patienten würden nun zumeist von den jeweiligen Kliniken über einen neuen OP-Termin informiert, sagt Jochen Brink, Präsident der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW. Umgekehrt könnten die Patienten aber auch in den Klinken anrufen und nachfragen. Ein erhöhtes Ansteckung­srisiko bestehe in den Kliniken zudem nicht, betont Brink: „Die parallele Behandlung von Patienten mit ansteckend­en Krankheite­n und nicht infizierte­n Patienten gehört für uns zum regelhafte­n Versorgung­sauftrag. So werden Covid-19-Patienten in der Regel getrennt von allen anderen Patienten behandelt.“Auch Medizinrec­htler Schlegel meint: „Der Infektions­schutz in einem Krankenhau­s mit Isoliersta­tion ist höher als in einem Bau- oder Supermarkt.“Brink gab jedoch zu bedenken, dass die Verfügbark­eit von Schutzausr­üstung stets sichergest­ellt sein müsse. Zudem brauche es besondere Teststrate­gien in den Kliniken zum Schutz von Patienten und Mitarbeite­rn.

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FOTO: DPA Knieoperat­ionen sind häufig keine Notfälle. Entspreche­nd wurden viele wegen der Corona-Pandemie verschoben.

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