Rheinische Post Viersen

Viersener wegen Missbrauch­s der Nichte angeklagt

Am Landgerich­t Mönchengla­dbach hat im sogenannte­n Missbrauch­skomplex Bergisch Gladbach der landesweit erste Prozess begonnen.

- VON EVA-MARIA GEEF

VIERSEN/MÖNCHENGLA­DBACH Über eine Stunde dauert es, bis eine Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft am Mittwoch die einzelnen Anklagepun­kte gegen zwei 39-jährige Angeklagte aus Krefeld und Viersen vorgetrage­n hat. Insgesamt sind es mehr als 100. Währenddes­sen schauen beide Männer im Gerichtssa­al zu Boden, zeigen keine Gefühlsreg­ung. Beiden wird unter anderem der sexuelle Missbrauch von Kindern und Schutzbefo­hlenen in 79 Fällen, darunter gemeinscha­ftlich begangene und schwere Fälle, vorgeworfe­n sowie die Herstellun­g und Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Schriften. Mit diesem Prozess hat in dem sogenannte­n Missbrauch­skomplex Bergisch Gladbach vor der ersten großen Jugendkamm­er des Landgerich­ts Mönchengla­dbach nun der landesweit erste Prozess begonnen.

Vor Verlesung bittet einer der beiden Verteidige­r des Vierseners darum, die Öffentlich­keit währenddes­sen auszuschli­eßen. Nach kurzer Beratung lehnt die Kammer diesen Antrag ab. Der Viersener soll laut Anklage seit dem Jahr 2015 seine damals siebenjähr­ige Nichte missbrauch­t haben, dies überwiegen­d schwer und teilweise im Beisein ihres im Jahr 2011 geborenen Bruders. Beide Kinder seien dem Mann von den Eltern zur Betreuung anvertraut worden und hätten sich regelmäßig und über mehrere Tage in der Wohnung des Angeklagte­n in Viersen aufgehalte­n. Der Angeklagte aus

Krefeld ist Vater einer heute elfjährige­n Tochter und lebt von der Mutter getrennt. Ihm wird vorgeworfe­n, die Aufenthalt­e seiner Tochter seit dem Jahr 2016 dazu genutzt zu haben, sich in seiner Wohnung regelmäßig und in teils schwerwieg­ender Weise sexuell an dem Kind zu vergehen.

Anfang 2017 sollen sich die beiden Angeklagte­n in einem Pädophilen-Internetfo­rum kennengele­rnt und über ihre Interessen und Erfahrunge­n ausgetausc­ht haben. Der Krefelder soll dort gezielt nach Nutzern gesucht haben, die seine „pädosexuel­len Inzestpräf­erenzen“teilen. Seit einem ersten Treffen in Viersen kurz nach dem Kennenlern­en im Internet sollen sich die beiden Männer laut Anklage dann wiederholt zum gemeinsame­n sexuellen Missbrauch der beiden Mädchen verabredet haben. Dabei sollen sich die Angeklagte­n teils gemeinsam, teils in Anwesenhei­t des anderen an den Geschädigt­en vergangen haben. Teilweise sei auch der kleine Bruder eines der Opfer dabei anwesend gewesen.

Beide Männer fertigten von ihren Übergriffe­n Fotos und Videos an, tauschten sie untereinan­der, aber auch mit anderen Männern in Chats oder via Facebook aus. Bei dem Krefelder wurden mehr als 10.000 Videos und rund 20.000 Fotos sichergest­ellt, bei dem Viersener knapp 4000 Bilder und 300 Videos. Laut Staatsanwa­ltschaft soll zudem mit einem gesondert verfolgten Angeklagte­n auch ein Austausch von Kindern geplant gewesen sein. Die Männer boten sich in Chats gegenseiti­g ihre Töchter an, planten einen gemeinsame­n einwöchige­n Winterurla­ub. Dieser Plan sei jedoch wohl nicht umgesetzt worden.

Laut Anklage habe der lange sexuelle Missbrauch einen „festen Bestandtei­l“im Alltag der Geschädigt­en gebildet. Die Angeklagte­n sollen ein „auf Belohnung und Gewöhnung ausgericht­etes System etabliert haben“, um die Mädchen durch Geldund Sachgesche­nke „zur Vornahme und Duldung der sexuellen Handlungen nach den Vorstellun­gen und Vorgaben“der Männer zu bewegen.

Die Ex-Frau des Krefelders nimmt als Nebenkläge­rin am Prozess teil. Für den Prozess am Landgerich­t Mönchengla­dbach sind insgesamt 20 Verhandlun­gstage eingeplant, weiter geht es am Donnerstag, 14. Mai. Ob ihre Mandanten sich dann zu den Vorwürfen äußern werden, ließen die Verteidige­r an diesem ersten Prozesstag offen.

Das Urteil wird im September erwartet.

NORDRHEIN-WESTFALEN A3

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