Nach Klassenfahrt ein Pflegefall
Der 17-Jährige, der nach einer Prügel-Attacke monatelang im Koma lag, wird aus der Reha-Klinik entlassen. Da er zu 100 Prozent pflegebedürftig ist, sucht die Familie eine neue, barrierefreie Wohnung.
MÖNCHENGLADBACH Als Daniel Ezzeddine im Juni vergangenen Jahres ins Krankenhaus kam, gaben die Ärzte ihm eine Überlebenschance von 30 bis 40 Prozent. So schwer waren die Kopfverletzungen des Schülers. Monate lang lag der 17-Jährige im Koma, acht Operationen hat er hinter sich. Er kann nicht richtig sprechen, nicht alleine laufen, nicht ohne Hilfe essen. Aber Daniel lebt. Im Juni, ein Jahr nach der brutalen Prügel-Attacke im südostenglischen Canterbury, wird er aus der Reha-Klinik zurück zu seiner Familie kehren, die dann die Pflege des jungen Mannes übernehmen will.
Vor einem Jahr freute sich Daniel Ezzedine noch auf seine Klassenfahrt nach England. Da ahnte niemand, dass diese Reise das Leben des 17-Jährigen und seiner Familie schlagartig ändern würde. Denn Daniel wurde am 6. Juni gegen 18 Uhr Ortszeit mitten in der Innenstadt von Canterbury in einer Einkaufsstraße von mehreren Jugendlichen angegriffen. Wie einer seiner Brüder später berichtete, hatte jemand mit einer Tasche voller Ziegelsteine
auf Daniels Kopf geschlagen. Der 17-Jährige wurde schwer verletzt in ein Londoner Krankenhaus
geflogen und notoperiert.
Die mutmaßlichen Täter wurden später festgenommen. „Eigentlich sollten sie im August vor Gericht kommen. Aber wer weiß, ob dieser Termin durch Corona bestehen bleibt“, sagt sein ältester Bruder Soleiman Ezzedine. Wie er berichtet, leugnen die Jugendlichen die Tat, „aber es gibt Bilder aus einer Überwachungskamera, die den Angriff festgehalten haben.“
Auch in Canterbury, dem Zentrum der anglikanischen Kirche Englands, herrschte Fassungslosigkeit – vor allem, nachdem bekannt geworden war, dass die Attacke einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben könnte. Daniels Eltern kamen aus dem Libanon nach Deutschland. Noch Tage nach dem Vorfall legten Menschen laut einer Lokalzeitung Blumen am Tatort nieder. Ein „Marsch gegen Rassismus“wurde organisiert. In England wurde außerdem Geld gesammelt, damit Daniels Mutter, die an seinem Krankenbett wachte, den Aufenthalt in England bezahlen konnte. Auch in Mönchengladbach gab es eine Benefizveranstaltung für den 17-Jährigen.
Der ehemalige Hauptschüler ist der jüngste von fünf Brüdern. Seine Familie, drei Söhne wohnen noch zu Hause, lebt in einer Wohnung, die in der zweiten Etage liegt. „Es gibt dort keinen Aufzug“, sagt Soleiman Ezzeddine, „und behindertengerecht ist die Wohnung auch nicht.“Deshalb müsse nun schnell ein neues Zuhause gefunden werden. Auch für Daniels Vater, der nach 30 Jahren als Lackierer Atemprobleme habe und kurz vor der Rente stehe, wäre eine barrierefreie Wohnung besser.
„Wir bräuchten eine etwa 125
Quadratmeter große Wohnung mit mindestens drei Schlafzimmern, die im Erdgeschoss liegt oder in einem Haus mit Aufzug“, sagt Soleiman Ezzeddine. Die Familie würde am liebsten in Mönchengladbach bleiben, zur Not aber auch ins Umland ziehen. Auf jeden Fall soll es Daniel zu Hause bei seiner Familie gut haben. Soleiman Ezzeddine: „Er bleibt wahrscheinlich ein Pflegefall. Die Ärzte halten es für unwahrscheinlich, dass sich dies noch ändert“, sagt der Bruder. Und dann fügt er an: „Aber vielleicht gibt es noch leichte Verbesserungen, Fortschritte, die man nicht erwartet.“
Immerhin hat Daniel, der bald 18 wird, schon den gefährlichen Angriff trotz äußerst schlechter Prognosen überlebt.
„Es gibt Bilder aus einer Überwachungskamera, die den Angriff festgehalten haben“Soleiman Ezzeddine
Daniels Bruder