Rheinische Post Viersen

Der erste Blick in den Tiefensamm­ler

Unter der Freiheitss­traße haben mit viermonati­ger Verspätung die Bohrarbeit­en begonnen. Bisher ist der Kanal knapp 150 Meter lang — 2,5 Kilometer sollen es bis Mitte 2022 werden. Nicht nur die Corona-Krise sorgte für Verzögerun­gen.

- VON NADINE FISCHER

VIERSEN Das ist er nun also, dieser Tiefensamm­ler, der Viersens Freiheitss­traße seit Monaten zu einem Dasein als Großbauste­lle verdonnert: eine Kette aneinander gepresster hellgrauer Stahlbeton­rohre, jedes einzelne 3,50 Meter lang, innen drei Meter hoch, 3,60 Meter Außendurch­messer. Zwar sind noch immer nicht alle Vorarbeite­n abgeschlos­sen, doch seit wenigen Wochen entsteht 14 Meter unter der Straße das erste Teilstück des riesigen Regenrückh­altebecken­s. „Wir haben bis jetzt 145 Meter“, sagt Bauleiter Markus Tieben. Rund 600 fehlen noch, bevor das zweite Teilstück der insgesamt 2,5 Kilometer langen Strecke gebaut wird. Nicht nur die Corona-Krise wirkte sich dabei zuletzt auf den Zeitplan aus. Dennoch ist Tieben zuversicht­lich, dass der Tiefensamm­ler wie vorgesehen im Juli 2022 fertig sein wird.

Mit seinem Fassungsve­rmögen von 17.500 Kubikmeter­n soll der Tiefensamm­ler später bei Starkregen das bestehende Kanalnetz entlasten. Er dient als Zwischensp­eicher, von dem aus Regenwasse­r kontrollie­rt über ein Pumpwerk in weiterführ­ende Kanäle befördert werden kann. So sollen Überschwem­mungen in der Viersener Innenstadt vermieden werden. Mit dem Bau beauftragt­e die Stadt Viersen das Versorgung­sunternehm­en NEW – im Januar 2019 startete die NEW mit den nötigen Vorarbeite­n. Seitdem gilt die Freiheitss­traße als größte Baustelle der Stadt. Die Verkehrsfü­hrung wurde geändert, Baugruben mussten ausgehoben, Grundwasse­r musste abgepumpt werden. Sechs der insgesamt acht Baugruben auf der Strecke seien mittlerwei­le fertig, berichtet Tieben. Bis Mitte Juli sollen auch die Arbeiten an den anderen beiden abgeschlos­sen sein.

Das erste Teilstück des Tiefensamm­lers entsteht seit dem 1. April zwischen der Baugrube an der Sebastianu­sstraße

und dem WillyBrand­t-Ring: Ein rund 120 Tonnen schwerer Bohrkopf bereitet in 14 Meter Tiefe den Weg in Richtung Willy-Brandt-Ring, von der Baugrube an der Sebastianu­sstraße aus drückt eine Presse nacheinand­er die Stahlbeton­rohre hinterher. Die Presse werde es aber nicht schaffen, die Rohre bis zum Ende der Teilstreck­e zu drücken, sagt Tieben. Deshalb werden unterwegs fünf Dehnerstat­ionen mit jeweils zusätzlich­en 21 kleineren Pressen eingebaut, sozusagen als Verstärker.

Eigentlich sollte der Bohrkopf bereits im Dezember in Betrieb gehen, aber „es gab ein Problem in der Pressgrube“, sagt Tieben. Die Betonboden­platte, die in der Startgrube an der Sebastianu­sstraße das Grundwasse­r zurückdrän­gen sollte, sei undicht gewesen, es sei zu viel Wasser eingedrung­en. „Das war zu gefährlich. Da musste nochmal nachgedich­tet werden.“Mitte März dann die nächste unvorherge­sehene Verzögerun­g: Wegen der Corona-Krise stellte das beauftragt­e Unternehme­n die Arbeit vorerst ein. Schutzmaßn­ahmen seien getroffen worden, „das musste sich erstmal alles finden“, erzählt Tieben. Weil die Arbeiter nun aber seit dem 1. April schneller voran kommen als erwartet, ist Tieben zuversicht­lich, dass der Tiefensamm­ler trotz Verzögerun­gen wie geplant Mitte 2022 fertig wird. Bis zu vier Rohre drücken die Pressen pro Tag in Richtung Willy-Brandt-Ring

– in der Planung sei er vorsichtig von zwei Rohren pro Tag ausgegange­n, erläutert Tieben.

Voraussich­tlich Ende Juni erreicht der Bohrkopf sein erstes Etappenzie­l, also die Baugrube in Höhe des Willy-Brandt-Rings. Von dort werde er mit einem Autokran zum Startpunkt des zweiten Teilstücks transporti­ert, erklärt Tieben: der Baugrube auf Höhe Postgarten und Große Bruchstraß­e. Noch nicht fertig sind die Baugrube auf Höhe der Kreuzung Ernst-Moritz-Arndt-Straße/ Kölnischen Straße und die Baugrube an der Goetersstr­aße. Aus beiden muss noch das Grundwasse­r gepumpt werden. An der Goetersstr­aße „laufen gerade die Unterwasse­rarbeiten“, berichtet Tieben: Ein Taucher soll dafür sorgen, dass in die Grube gepumpter Beton eine dichte Bodenplatt­e ergibt, die später das Grundwasse­r zurückhält. Von der Goetersstr­aße aus zieht der Taucher weiter zur Kölnischen Straße. Das ist der letzte Teil der Vorarbeite­n für den Tiefensamm­ler: „Danach muss nur noch gebohrt werden“, sagt Tieben.

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FOTOS: NEW AG 14 Meter unter der Freiheitss­traße entsteht gerade das erste Teilstück des Regenrückh­altekanals zwischen Sebastianu­sstraße und Willy-Brandt-Ring.
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Eine Presse drückt die Kanalrohre aus Stahlbeton hintereina­nder in den Tunnel.

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