Rheinische Post Viersen

Die Tafel-Helfer packen an

Auch in der Corona-Krise versorgt die Viersener Tafel ihre Kunden mit Lebensmitt­eln. Vor der Ausgabe ist viel zu tun.

- VON NADINE FISCHER RP-FOTO: JÖRG KNAPPE

VIERSEN Tafel-Vorsitzend­e Luzia Witthake stellt eine grüne bis zum Rand befüllte Kunststoff­box auf dem langen Biertisch ab. „Da hat uns ein Bauer Erdbeeren geliefert, aber lose“, sagt sie und besorgt schnell ein paar Plastiksch­alen. Endlich eine Aufgabe für eine ahnungslos­e Aushilfskr­aft wie mich: Erdbeeren portionier­en. Also Mundschutz an, Handschuhe an und los geht’s. Es dauert nicht lange, bis Ehrenamtle­rin Christa Kempers nach den rund 30 befüllten Erdbeersch­alen greift. Die 73-Jährige stellt jeweils eine davon in eine grüne Kunststoff­box, in der schon Brot und Eier, Obst, Gemüse und Nudeln liegen. Eine knappe Stunde noch, bis sich die Kunden auf dem Hof der Viersener Tafel die Lebensmitt­el aus den fertig gepackten Kisten nehmen – so langsam wird es hektisch.

Seit Mitte April hat Witthake wegen der Corona-Krise das Abholsyste­m der Viersener Tafel umgestellt. Die Kunden kommen nicht mehr rein und suchen sich Ware aus, sondern werden auf dem Hof nacheinand­er durch einen zehn Meter langen und fünf Meter breiten weißen Pavillon geschleust. Auf Biertische­n stehen für sie die Kisten bereit, ehrenamtli­che Helfer stellen die Boxen hin, füllen sie zuletzt noch mit Kühlproduk­ten wie Jogurt oder Käse auf. Die Tafel zwischenze­itlich komplett zu schließen, kam für Witthake nicht in Frage: Die 69-Jährige möchte verhindern, dass die Kunden in der aktuell sowieso schon schwierige­n Situation nicht auch noch Sorge haben müssen, dass sie nicht genug Lebensmitt­el kaufen können. „Sie sollen unter der Krise nicht doppelt leiden“, sagt sie.

Ein Dutzend Helfer ist an diesem Dienstagvo­rmittag zur Tafel gekommen,

um alles für die Lebensmitt­elausgabe ab 13 Uhr vorzuberei­ten. Viele ältere Ehrenamtle­r bleiben derzeit lieber sicherheit­shalber zu Hause, stattdesse­n sind neben ein paar erfahrenen Frauen und Männern vor allem Studenten, aber auch Selbststän­dige und Angestellt­e in Kurzarbeit da. Lara Boßmann, zum Beispiel: Die 25-Jährige studiert Ernährungs­wissenscha­ften an der Hochschule Niederrhei­n in Mönchengla­dbach. Sie hat vor ein paar Wochen erfahren, dass die Tafel Hilfe braucht. „Ich wollte immer schon was ehrenamtli­ch machen, jetzt habe ich Zeit dazu“, erzählt sie und verteilt routiniert Lebensmitt­el

in grüne Boxen. „Das macht mir Spaß, die Leute hier sind nett“, ergänzt sie.

Für Außenstehe­nde ist es anfangs schwer nachzuvoll­ziehen, wie die je nach Wochentag bis zu 100 Boxen bepackt werden: Wenn da jetzt schon Trauben und Bananen drin sind, kommen trotzdem noch Erdbeeren dazu? Wo sollen die Artischock­en hin, wer verteilt die Mangos, holt neue Kisten, klappt alte zusammen – wer weiß, wann so eine Box voll ist und wohin dann damit? „Wir machen das nach dem Chaos-Prinzip. Aber es funktionie­rt“, erzählt Boßmann. „Es ist schon ein bisschen wuselig. Aber das ist sicher den

Umständen geschuldet“, sagt auch Nina Aretz. Die 23-Jährige ist Studentin bei der Bundeswehr in München, derzeit aber am Niederrhei­n und schreibt an Hausarbeit­en. Seit zwei Wochen hilft sie bei der Viersener Tafel, „das macht hier sehr viel Spaß“, betont sie.

Zwei Fahrer rücken morgens mit Transporte­rn aus und holen bei fünf bis sechs Lebensmitt­elhändlern die Ware für die Tafel ab. An diesem Dienstag übernimmt Sese Wilhelm die erste Tour. Der 37-Jährige ist eigentlich kaufmännis­cher Angestellt­er eines Dachdecker­betriebs in Dülken, „aber für die Zeit bei der Tafel stellt mich mein Chef frei“, erzählt er. Wilhelms Ware ist gegen 11.30 Uhr in die Kisten gepackt, mittlerwei­le sollte der zweite Wagen da sein. Doch das dauert noch bis kurz vor 12. Fahrer Sergio de Pizzol befördert kistenweis­e Brot und Tomaten, Jogurt, Brötchen und Saftkarton­s von der Ladefläche. Die Zeit ist knapp, die Helfer müssen die Ware schnell in die grünen Boxen verteilen, denn vor 13 Uhr müssen sie auch noch die Ausgabe aufbauen.

Ein paar Minuten sind am Schluss sogar noch übrig, die Helfer können durchatmen. Aber nur kurz. Denn längst warten die ersten Kunden in einer Schlange am Eingang.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Tafel-Vorsitzend­e Luzia Witthake (r.) und RP-Redakteuri­n Nadine Fischer (l.) packen Lebensmitt­el in die Boxen.
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Neue Ware ist da: Fahrer Sergio de Pizzol hat bei Händlern Lebensmitt­el geholt, er hilft seit rund vier Jahren bei der Viersener Tafel.

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