In Schulen gibt es noch viel Unsicherheit
Am Donnerstag kehren die vierten Grundschulklassen zurück in den Präsenzunterricht. Aber wie geht es danach weiter? Krisenkonzepte wurden in den Schulen schon viele erarbeitet, aber auch wieder verworfen.
MÖNCHENGLADBACH Die Stimmung an den Schulen ist derzeit durchwachsen. Nach der langen Zwangspause freuen sich viele Lehrer auf ein Wiedersehen mit ihren Schülern, aber es gibt auch eine große Verunsicherung. Sicher ist zwar, dass am Donnerstag die vierten Klassen zurück an ihre Schule kommen werden. Aber wie geht es weiter? Und wie wird der Präsenzunterricht in Zukunft aussehen? Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Mönchengladbach, Ruth Reinartz, und ihre Stellvertreterin, Ingeborg Mühlenbroich, beide Lehrerinnen, berichten darüber, was gerade in den Schulen alles gestemmt werden muss und an welchen Stellen es hakt.
Wie weit ist man in den Grundschulen mit den Konzepten für den Neustart? Sicher ist, dass die Schüler der vierten Klassen am Donnerstag und Freitag zur Schule kommen werden. Wegen der Coronaschutzverordnung werden viele Klassen geteilt, manche sogar gedrittelt. „Es gibt ja Schulen mit 30 und mehr Kindern in einer Klasse“, sagt Ingeborg Mühlenbroich, die an der Gemeinschaftsgrundschule Hardt unterrichtet. Es gibt Hygienekonzepte, Pausenpläne, Stundenpläne, die alle darauf abgestimmt sind, dass die Kinder so gut wie möglich geschützt werden. An der Grundschule Hardt, wo Ingeborg Mühlenbroich unterrichtet, werden die Kinder an den beiden ersten Tagen jeweils vier statt sechs Schulstunden haben.
Wie geht es danach weiter? „Das weiß noch keiner so genau“, sagt Ruth Reinartz. An den Schulen seien schon viele Konzepte für den Neustart erarbeitet worden, viele allerdings auch für den Papierkorb. „Es kommen ja fast stündlich neue Ansagen. Und oft auch zu ziemlich ungewöhnlichen Zeiten, etwa samstags nach 22 Uhr“, berichtet Mühlenbroich. Da sei es schwer, verlässliche Konzepte aufzustellen. „Vor allem die Schulleitungen tun mir leid: Da haben sie gerade alle Eltern angeschrieben, um sie über die neueste Entwicklung auf dem Laufenden zu halten, und schon kommt eine neue Mail aus dem Schulministerium“, berichtet die stellvertretende GEW-Vorsitzende. Die Mitteilung von Yvonne Gebauer, dass am 11. Mai auch alle anderen Grundschulkinder in einem rollierenden System unterrichtet werden sollen, stehe ja jetzt auch unter Vorbehalt der Abstimmung der Ministerpräsidenten am 6. Mai. Reinartz: „Im Moment ist alles sehr unsicher.“
Lohnen sich da Konzepte für den Schulbetrieb in der kommenden Woche? Nach den Erfahrungen in den vergangenen Wochen warten jetzt viele Schulen die Ergebnisse der Abstimmung am Mittwoch ab. „Ich denke aber, dass wir auf alle Szenarien vorbereitet sind. Natürlich gibt es eine gewisse Unsicherheit, doch die Vorfreude aller Kollegen, endlich einige Schüler wiederzusehen, überwiegt ganz eindeutig“, sagt Xenia Schöpke, Leiterin der Vitusschule.
Wo liegen die Schwierigkeiten für einen Schulbetrieb unter Corona-Bedingungen? Es gibt jede Menge zu organisieren und auch Unwägbarkeiten. Zum Beispiel die Frage: Wie viele Lehrer stehen zur Verfügung. Bis um 24. Mai gelten die Regelungen für Risikogruppen. Erzieher mit Vorerkrankungen dürfen nicht unterrichten, Lehrer über 60 Jahre müssen nicht unterrichten. Schwangere Lehrerinnen fallen auch raus. „Das Problem wird sein, dass wir durch die geteilten Klassen viel mehr Lerngruppen haben bei weniger Personal“, sagt Ingeborg Mühlenbroich. Ruth Reinartz sieht auch große Herausforderungen bei der Unterrichts- und Raumplanung, wenn alle Kinder wieder an die Schule zurückgekehrt sind: „Man muss bedenken, dass nebenher noch der Offene Ganztag und die erweiterte Notbetreuung laufen sollen.“Es soll rollierenden Unterricht geben. „Aber an welchen Tagen sollen welche Schüler kommen? Es geht nicht, wenn wir einfach sagen: Die einen kommen immer montags, die anderen donnerstags. Was ist dann mit den Feiertagen?“, gibt Ruth Reinartz zu bedenken. Für eine gerechte Verteilung
müssten andere Lösung gefunden werden. Und noch eines gibt die GEW-Vorsitzende zu Bedenken: Neben dem Präsenzunterricht müssen die Schüler auch noch mit Heimunterrichtsmaterial versorgt werden, schließlich bedeuten die unterrichtsfreien Tage nicht schulfrei.
Lassen sich Mindestabstandsregeln in Grundschulen überhaupt einhalten? Dass es Lehrer und Schüler gibt, die Angst haben, dass dies nicht geschieht, können Reinartz und Mühlenbroich verstehen. Diese Gefahr bestehe immer. Kinder sind oft unbedarft und ungestüm. An vielen Grundschulen gibt es Schüler mit Förderbedarf, deren Integrationshelfer laut Reinartz zum Teil wegfallen, dazu noch Seiteneinsteiger, die kaum Deutschkenntnisse haben. „Es gibt Lehrer, die eine bettlägerige Mutter zu Hause haben und die natürlich befürchten, sie könnten sich selbst und ihre Angehörigen anstecken. Gleichzeitig sind sie in einem Kollegialitätskonflikt: Auf der einen Seite wollen sie ihre Verwandten nicht gefährden, auf der anderen Seite auch nicht das Kollegium alleine lassen“, berichtet Mühlenbroich.
Wie hat es eigentlich mit dem Lernen auf Distanz geklappt? Bei der GEW hofft man, dass endlich eine sichere digitale Schulplattform geschaffen wird, auf die die Lehrer zurückgreifen können. „Im Moment läuft das alles nur über die Privatgeräte der Lehrer“, sagt Mühlenbroich. An vielen Schulen sei das Lernmaterial noch auf Papier ausgegeben worden. „In manchen Familien haben die Kinder ein Prepaid-Handy, und wenn die Karte leer ist, ist sie leer“, sagt Reichartz.
Kann man aus der Krise lernen? Ja, sagen beide Gewerkschaftlerinnen. Es habe viele kreative Ansätze in den Schulen gegeben. Auch wenn man Erstklässler nicht stundenlang vor den Rechner setzen könne, habe die digitale Entwicklung in den Schulen und die Beschäftigung damit noch mal einen Schub bekommen. Ruth Reinartz würde sich wünschen, dass die Rückkehr zu kleinen Klassen die Corona-Zeiten überdauert. „Jeder kennt die Vorteile“, sagt sie.