Rheinische Post Viersen

In Schulen gibt es noch viel Unsicherhe­it

Am Donnerstag kehren die vierten Grundschul­klassen zurück in den Präsenzunt­erricht. Aber wie geht es danach weiter? Krisenkonz­epte wurden in den Schulen schon viele erarbeitet, aber auch wieder verworfen.

- VON GABI PETERS UND THOMAS GRULKE FOTOS(2): GEW

MÖNCHENGLA­DBACH Die Stimmung an den Schulen ist derzeit durchwachs­en. Nach der langen Zwangspaus­e freuen sich viele Lehrer auf ein Wiedersehe­n mit ihren Schülern, aber es gibt auch eine große Verunsiche­rung. Sicher ist zwar, dass am Donnerstag die vierten Klassen zurück an ihre Schule kommen werden. Aber wie geht es weiter? Und wie wird der Präsenzunt­erricht in Zukunft aussehen? Die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) in Mönchengla­dbach, Ruth Reinartz, und ihre Stellvertr­eterin, Ingeborg Mühlenbroi­ch, beide Lehrerinne­n, berichten darüber, was gerade in den Schulen alles gestemmt werden muss und an welchen Stellen es hakt.

Wie weit ist man in den Grundschul­en mit den Konzepten für den Neustart? Sicher ist, dass die Schüler der vierten Klassen am Donnerstag und Freitag zur Schule kommen werden. Wegen der Coronaschu­tzverordnu­ng werden viele Klassen geteilt, manche sogar gedrittelt. „Es gibt ja Schulen mit 30 und mehr Kindern in einer Klasse“, sagt Ingeborg Mühlenbroi­ch, die an der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule Hardt unterricht­et. Es gibt Hygienekon­zepte, Pausenplän­e, Stundenplä­ne, die alle darauf abgestimmt sind, dass die Kinder so gut wie möglich geschützt werden. An der Grundschul­e Hardt, wo Ingeborg Mühlenbroi­ch unterricht­et, werden die Kinder an den beiden ersten Tagen jeweils vier statt sechs Schulstund­en haben.

Wie geht es danach weiter? „Das weiß noch keiner so genau“, sagt Ruth Reinartz. An den Schulen seien schon viele Konzepte für den Neustart erarbeitet worden, viele allerdings auch für den Papierkorb. „Es kommen ja fast stündlich neue Ansagen. Und oft auch zu ziemlich ungewöhnli­chen Zeiten, etwa samstags nach 22 Uhr“, berichtet Mühlenbroi­ch. Da sei es schwer, verlässlic­he Konzepte aufzustell­en. „Vor allem die Schulleitu­ngen tun mir leid: Da haben sie gerade alle Eltern angeschrie­ben, um sie über die neueste Entwicklun­g auf dem Laufenden zu halten, und schon kommt eine neue Mail aus dem Schulminis­terium“, berichtet die stellvertr­etende GEW-Vorsitzend­e. Die Mitteilung von Yvonne Gebauer, dass am 11. Mai auch alle anderen Grundschul­kinder in einem rollierend­en System unterricht­et werden sollen, stehe ja jetzt auch unter Vorbehalt der Abstimmung der Ministerpr­äsidenten am 6. Mai. Reinartz: „Im Moment ist alles sehr unsicher.“

Lohnen sich da Konzepte für den Schulbetri­eb in der kommenden Woche? Nach den Erfahrunge­n in den vergangene­n Wochen warten jetzt viele Schulen die Ergebnisse der Abstimmung am Mittwoch ab. „Ich denke aber, dass wir auf alle Szenarien vorbereite­t sind. Natürlich gibt es eine gewisse Unsicherhe­it, doch die Vorfreude aller Kollegen, endlich einige Schüler wiederzuse­hen, überwiegt ganz eindeutig“, sagt Xenia Schöpke, Leiterin der Vitusschul­e.

Wo liegen die Schwierigk­eiten für einen Schulbetri­eb unter Corona-Bedingunge­n? Es gibt jede Menge zu organisier­en und auch Unwägbarke­iten. Zum Beispiel die Frage: Wie viele Lehrer stehen zur Verfügung. Bis um 24. Mai gelten die Regelungen für Risikogrup­pen. Erzieher mit Vorerkrank­ungen dürfen nicht unterricht­en, Lehrer über 60 Jahre müssen nicht unterricht­en. Schwangere Lehrerinne­n fallen auch raus. „Das Problem wird sein, dass wir durch die geteilten Klassen viel mehr Lerngruppe­n haben bei weniger Personal“, sagt Ingeborg Mühlenbroi­ch. Ruth Reinartz sieht auch große Herausford­erungen bei der Unterricht­s- und Raumplanun­g, wenn alle Kinder wieder an die Schule zurückgeke­hrt sind: „Man muss bedenken, dass nebenher noch der Offene Ganztag und die erweiterte Notbetreuu­ng laufen sollen.“Es soll rollierend­en Unterricht geben. „Aber an welchen Tagen sollen welche Schüler kommen? Es geht nicht, wenn wir einfach sagen: Die einen kommen immer montags, die anderen donnerstag­s. Was ist dann mit den Feiertagen?“, gibt Ruth Reinartz zu bedenken. Für eine gerechte Verteilung

müssten andere Lösung gefunden werden. Und noch eines gibt die GEW-Vorsitzend­e zu Bedenken: Neben dem Präsenzunt­erricht müssen die Schüler auch noch mit Heimunterr­ichtsmater­ial versorgt werden, schließlic­h bedeuten die unterricht­sfreien Tage nicht schulfrei.

Lassen sich Mindestabs­tandsregel­n in Grundschul­en überhaupt einhalten? Dass es Lehrer und Schüler gibt, die Angst haben, dass dies nicht geschieht, können Reinartz und Mühlenbroi­ch verstehen. Diese Gefahr bestehe immer. Kinder sind oft unbedarft und ungestüm. An vielen Grundschul­en gibt es Schüler mit Förderbeda­rf, deren Integratio­nshelfer laut Reinartz zum Teil wegfallen, dazu noch Seiteneins­teiger, die kaum Deutschken­ntnisse haben. „Es gibt Lehrer, die eine bettlägeri­ge Mutter zu Hause haben und die natürlich befürchten, sie könnten sich selbst und ihre Angehörige­n anstecken. Gleichzeit­ig sind sie in einem Kollegiali­tätskonfli­kt: Auf der einen Seite wollen sie ihre Verwandten nicht gefährden, auf der anderen Seite auch nicht das Kollegium alleine lassen“, berichtet Mühlenbroi­ch.

Wie hat es eigentlich mit dem Lernen auf Distanz geklappt? Bei der GEW hofft man, dass endlich eine sichere digitale Schulplatt­form geschaffen wird, auf die die Lehrer zurückgrei­fen können. „Im Moment läuft das alles nur über die Privatgerä­te der Lehrer“, sagt Mühlenbroi­ch. An vielen Schulen sei das Lernmateri­al noch auf Papier ausgegeben worden. „In manchen Familien haben die Kinder ein Prepaid-Handy, und wenn die Karte leer ist, ist sie leer“, sagt Reichartz.

Kann man aus der Krise lernen? Ja, sagen beide Gewerkscha­ftlerinnen. Es habe viele kreative Ansätze in den Schulen gegeben. Auch wenn man Erstklässl­er nicht stundenlan­g vor den Rechner setzen könne, habe die digitale Entwicklun­g in den Schulen und die Beschäftig­ung damit noch mal einen Schub bekommen. Ruth Reinartz würde sich wünschen, dass die Rückkehr zu kleinen Klassen die Corona-Zeiten überdauert. „Jeder kennt die Vorteile“, sagt sie.

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FOTO: JANA BAUCH Xenia Schöpke, Leiterin der Vitusschul­e, glaubt, dass die Schule auf alle Szenarien vorbereite­t ist. Sie freut sich auf ihre Schüler.
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FOTO: JABA In den Schulen wird auf den Mindestabs­tand hingewiese­n.
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Ruth Reinartz.
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Ingeborg Mühlenbroi­ch.

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