Rheinische Post Viersen

Die Gefahren der Corona-Sprache

Neue Wörter, die bedenklich sind – wie Risikogrup­pe und Systemrele­vanz.

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Die Corona-Krise hat uns reicher gemacht – an Wörtern. Wobei etliche sehr wahrschein­lich nicht erst mit dem Virus geboren wurden, nur dürften sie vor allem im Sprachgebr­auch der Spezialist­en existiert haben. Wörter, die Menschen im Blick haben. Die Rede ist von jenen, die plötzlich „Risikogrup­pen“zugeordnet werden und seit Kurzem – in dramatisie­rter Steigerung – sogar Hochrisiko­gruppen. Oder auch von arbeitende­n Menschen, deren Tätigkeit „Systemrele­vanz“attestiert wird. Natürlich sind das zumeist technische Begriffe, mehr oder weniger Hilfsmitte­l der Verständig­ung, die darauf abzielen müssen, Schaden abzuwenden und Handlungsf­ähigkeit zu bewahren. Fachvokabu­lar für Fachleute in Sondersitu­ationen eben.

Nun berührt die Corona-Krise aber alle Menschen und alle Lebensbere­iche. Nahezu jeder ist in irgendeine­r Form vom Virus betroffen, und so wundert es nicht, wenn technische Begrifflic­hkeiten wie selbstvers­tändlich in unseren Wortschatz eingehen. Da fängt es an, schwierig zu werden. Denn auch die Sprache bestimmt unser Bewusstsei­n. Wörter nisten sich in unserem Kopf ein, werden erst gelernt, dann ausprobier­t, bis sie Eingang finden in unsere Alltagsspr­ache. Wir haben erst lernen müssen, dass manche Menschen systemrele­vanter sind als andere und wiederum andere riskant leben oder zum Risiko werden. Menschen aber sind nie in Kategorien zu fassen. Und niemandem wird man mit einem Schlagwort gerecht. Natürlich nicht, rufen wir alle. Doch Sprache ist nachhaltig und widerständ­ig. Und Wörter, wie wir ihnen jetzt in der Corona-Krise begegnen, werden vielleicht über die Pandemie hinaus erhalten bleiben. Wer ist dann systemrele­vant? Und welche Hochrisiko­gruppen gilt es künftig zu meiden? Es ist ratsam, auch in der Sprache sensibel zu bleiben.

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