Rheinische Post Viersen

Liebe FDP, Finger weg von Palmer

Mit dem Tübinger OB droht den Grünen eine langjährig­e Auseinande­rsetzung.

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Jede Partei braucht diese Leute, die ab und zu mal was gegen die interne Mehrheitsm­einung sagen, den eigenen Funktionär­en die Augen öffnen und die Partei in der Öffentlich­keit so als programmat­isch breit aufgestell­t erscheinen lassen. Allerdings ist der Job des Vor-, Quer-, Andersund Nachdenker­s in einer Partei immer eine schmale Gratwander­ung, und nicht selten radikalisi­eren sich die Parteisoli­täre oder verbiester­n unter der Kritik, die sie aus den eigenen Reihen bekommen.

Als Paradebeis­piel dafür kann der Immer-noch-Sozialdemo­krat Thilo Sarrazin dienen: vom respektier­ten Berliner Finanzsena­tor hin zum rechtspopu­listischen Buchautor. Dass die SPD ihn einfach nur noch loswerden will, ist absolut nachvollzi­ehbar. Bei Boris Palmer ist der Fall ein wenig anders gelagert. Er war schon immer Außenseite­r in seiner Partei, ein bürgerlich­er Grüner aus dem Südwesten, der bei Parteitage­n meistens hinten stand. Von den Parteifreu­nden blieb keiner zum Plausch bei ihm stehen, dafür aber die Journalist­en, die seine kritischen Botschafte­n gerne verbreitet­en. In der CDU gibt es übrigens auch eine ganze Reihe von Leuten, die ihre Stimmen erheben, wenn es darum geht, dass rechts von der Union kein Platz sein solle. Viele von ihnen sind inzwischen bei der AfD oder in der Wertenion

– dem Club, den viele Parteifunk­tionäre auch gerne los wären.

Palmer ist kein Sarrazin – noch nicht. Er könnte es werden. Zwischen ihm und seiner Partei gärt es. Die Grünen in Baden-Württember­g haben den langjährig­en Tübinger Oberbürger­meister nun zum Parteiaust­ritt aufgeforde­rt. Palmer wird dem wohl nicht nachkommen. Damit ist der öffentlich­e Machtkampf eröffnet. Der FDP kann man nur raten, entgegen dem Angebot von Michael Theurer die Finger von Palmer zu lassen. In Öko-Fragen setzt er auf Law and Order.

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