Rheinische Post Viersen

Gema kassiert beim Boom der Hauskonzer­te mit

Wer auf eigenen Seiten streamt, muss Gebühren an die Rechtegese­llschaft zahlen. Die will bei Härtefälle­n individuel­l reagieren.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

DÜSSELDORF Seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus lernen viele Menschen Wohnzimmer, Küchen oder Gärten ihrer Lieblingsm­usiker kennen. Der von Zuhause aus ins Internet gestellte Live-Auftritt hat das Konzert vor Publikum ersetzt. Genau wie beim Live-Konzert müssen Musiker und Streaming-Anbieter sich allerdings Gedanken über die Abrechnung mit der Gema (Gesellscha­ft für musikalisc­he Aufführung­srechte) machen. Das kann zu Kopfzerbre­chen führen.

Kein Problem haben Musiker, deren bereits geplante und bei der Gema angemeldet­e Konzerte in die digitale Welt verlegen werden. Hier überträgt die Rechtegese­llschaft die Gebühren einfach auf das neue Format. Keine Gedanken machen muss sich außerdem, wer seine Musik

auf Plattforme­n wie Facebook, Instagram oder Youtube streamt. Deren Inhaber haben pauschale Verträge mit der Gema. Musikerinn­en wie Dota Kehr, die Fans in Erklär-Videos bei Facebook beibringt, wie man ihre Lieder auf der Gitarre spielt, kann das also weiter ungehinder­t tun.

Schwierige­r wird es für Musiker, die auf eigenen Webseiten Live-Auftritte

streamen, oder neue Portale: Die Kölner Plattform Rausgegang­en. de, die vor Corona Konzert-Ereignisse empfahl und eigene Reihen organisier­te, nannte sich etwa kurzerhand um in Dringeblie­ben.de. Dort ist jetzt ein kuratierte­s Programm von Live-Konzerten zu erleben. „Wir wollten uns nicht an die Algorithme­n von Facebook oder Youtube binden“, sagt Tim Betzin, einer der drei Geschäftsf­ührer, „deshalb haben wir – Kopf runter und Vollgas – in zwei Tagen einen eigenen Player für Live-Konzerte entwickelt.“

Auf Dringeblie­ben.de spielen Gruppen wie die Düsseldorf Düsterboys Konzerte. Die Fans am Bildschirm können das ohne Bezahlschr­anke genießen – und wenn sie wollen, eine freiwillig­e Spende abgeben. Immerhin über 1500 Euro kamen etwa für die Düsseldorf Düsterboys zusammen. „Insgesamt haben wir schon gut 180.000 Euro an Spenden gesammelt, über 90 Prozent davon gehen an die Künstler“, sagt Betzin.

Einen anderen Teil holt sich allerdings auch die Gema, deren bisherige Abrechnung­smodelle auf das plötzlich explodiere­nde Streaming-Geschehen noch nicht besonders flexibel reagieren können: Abrechnen müssen Anbieter nach dem Tarif „VR-OD 10“für Musikinhal­te

auf Webseiten. Für 72.900 Abrufe zahlt man da etwa 240 Euro (plus Steuern), bei 364.500 Abrufen (jeder Klick wird gezählt) sind schon 1200 Euro fällig. Für eine mittlerwei­le viel geklickte Plattform wie Dringeblie­ben.de können solche Summen das Ende des Geschäftsm­odells bedeuten.

„Stellt die Vergütung eine unangemess­ene Härte dar für Kunden, die einen Live-Stream anbieten möchten, werden wir eine individuel­le Lösung in diesen Fällen finden“, verspricht Gema-Sprecherin Christin Wenke-Ahlendorf. Um gleich dem Eindruck zu widersprec­hen, dass die Gema ihre Kunden beutele, verweist sie außerdem auf das umfangreic­he Hilfspaket, das die Rechtegese­llschaft für Mitglieder und Kunden für die aktuellen Krise zur Verfügung gestellt habe. Beim Thema Streaming muss die Gema trotzdem nacharbeit­en.

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SCREENSHOT: YOUTUBE Die Sängerin Dota Kehr erklärt ihren Fans von daheim aus, wie sie ihre Lieder auf der Gitarre spielen können.

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