Rheinische Post Viersen

Wie Covid-19 die Gefäße schädigt

Die Krankheits­bilder, die das Coronaviru­s auslöst, sind sehr variabel. Bei schweren Verläufen gibt es häufig Komplikati­onen in den Blutgefäße­n. Hier ist Vorbeugung gerade bei Risikopati­enten wichtig.

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Werner K. aus Neuss fragt: „Über das Coronaviru­s hört man derzeit alles Mögliche. Jetzt lese ich, dass es auch Gefäße schädigen kann. Wie hat man sich das vorzustell­en?“Christoph Ploenes Ja, Sars-CoV-2 kann Gefäßproze­sse anstoßen. Dies ist von gravierend­er Bedeutung in der Regel bei schwerstkr­anken Patienten, also nicht bei jeder Corona-Infektion. Außerdem können auch andere Infektione­n mit Viren und Bakterien die Gefäße befallen.

Die Gefäße sind alles andere als passive Transportr­ohre. Sie sind vielmehr ein Organ mit eigenen Aufgaben: So transporti­eren sie nicht nur das Blut, sondern können auch auf die Blutzusamm­ensetzung reagieren, etwa durch Eng- oder Weitstellu­ng des Gefäßdurch­messers. Mehr noch: Gefäße können ihrerseits Körperproz­esse auslösen, leider auch solche mit bkatastrop­halen Folgen.

Dies ist möglich, weil die innere Gefäßwand (Endothel) aus einem Verbund von biologisch sehr aktiven Zellen besteht. Diese Zellschich­t steht in engem Kontakt mit Blutbestan­dteilen. Dies sind nicht nur die Blutkörper­chen, sondern auch Eindringli­nge wie Viren und Bakterien.

Wir wissen, dass sich das Coronaviru­s wie ein Schlüssel in das Schloss einer Tür setzt, die normalerwe­ise nur körpereige­ne Substanzen in die Gefäßwand hereinläss­t oder deren Botschafte­n für die Zelle aufnimmt. Diese Tür heißt „Angiotensi­n-converting­Enzym-2“(ACE-2). Durch das ACE-2 findet das Virus Eintritt. Dadurch wird zum einen die Gefäßwand – wie auch andere Organzelle­n – direkt geschädigt („Endothelii­tis“), zum anderen aber die Blutgerinn­ung im betroffene­n Gefäßberei­ch aktiviert, so dass sich die Gefäße verschließ­en können. Zudem erweitern sich die noch durchgängi­gen Gefäße durch

Fehlregula­tion derart, dass das

Blut gleichsam „versackt“und somit den lebensnotw­endigen Sauerstoff nicht mehr weiterbefö­rdern kann

Bei schwerkran­ken Patienten sind primär Gefäße des Lungenkrei­slaufs betroffen. Dies scheint im Zentrum des Krankheits­geschehens zu stehen und könnte den langwierig­en und nicht selten tödlichen Verlauf bei beatmeten Patienten erklären.

Auch kommt es gehäuft zu Venenthrom­bosen und Lungenembo­lien bei rund 25 bis 69 Prozent der Patienten, die wegen der Corona-Infektion auf der Intensivst­ation behandelt werden müssen. Dazu passt die Beobachtun­g, daß eine konsequent­e medikament­öse Thrombosev­orbeugung bei diesen schwerkran­ken Patienten die Sterblichk­eit senkt.

Dies bedeutet nicht, dass alle mit dem Coronaviru­s infizierte­n Menschen eine medikament­öse Thrombosev­orbeugung benötigen, wohl aber jene, die schon aus anderen medizinisc­hen Gründen zu einer Thrombose neigen, vor allem bei aktiver Tumorerkra­nkung, bei Venenthrom­bose oder Lungenembo­lie

in der Vorgeschic­hte, bei Bettlägeri­gkeit, in hohem Alter oder bei extremem Übergewich­t.

In den Zeiten dieser Corona-Epidemie findet vielleicht die wichtigste Empfehlung zur nicht-medikament­ösen Thrombosev­orbeugung wieder mehr Beachtung: sich bewegen! Das muss nicht heißen, nun aus dem Zustand notorische­r Regungslos­igkeit heraus Sport zu machen. Schon unspektaku­läre Dinge wie tägliches Fahradfahr­en oder Spaziereng­ehen sind nach sportmediz­inischen Erkenntnis­sen effektiv und ungefährli­ch hinsichtli­ch einer Kreislaufü­berlastung.

Schließlic­h kommt es bei einem kleinen Teil (bis zu fünf Prozent)

Unser Autor der kritisch erkrankten Corona-Patienten zu arterielle­n Gefäßversc­hlüssen in allen Körperterr­itorien (innere Organe, Arme und Beine). Man darf dabei nicht aus den Augen verlieren, dass neben der unmittelba­ren Verursachu­ng durch das Corona-Virus bei schwerstkr­anken Patienten auch andere, sehr komplexe Ursachen dabei eine Rolle spielen können. Zudem gewinnen wir täglich neue Erkenntnis­se über Einzelaspe­kte des Krankheits­verlaufs.

Dass chronisch vorerkrank­te Menschen mit einem schwereren Verlauf der Corona-Infektion rechnen müssen, sagen uns Statistike­n und der gesunde Menschenve­rstand. Umso mehr ist daher auf die Einhaltung der Hygieneund Schutzmaßn­ahmen zu achten. Keinesfall­s sollte man aber auf eine ärztliche Abklärung akuter oder sich verstärken­der chronische­r Beschwerde­n verzichten, weil man eine Infektion mit dem Coronaviru­s befürchtet. Dies gilt vor allem für Diabetiker, Patienten mit Rheuma-, Herz-, Nieren- und Lungen- Erkrankung­en sowie für Patienten mit arterielle­r Durchblutu­ngsstörung der Beine.

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Christoph Ploenes ist Chefarzt für Angiologie an der Schön-Klinik in Düsseldorf-Heerdt.

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