NRW testet 20.000 Schlachthof-Mitarbeiter
Weltweit haben sich Schlachthöfe zu einem Zentrum von Corona-Infektionen entwickelt. Kritiker wundert das nicht. Sie kritisieren seit Langem Arbeits- und Hygienebedingungen. Die Branche hat jedoch eine ganz andere Erklärung.
DÜSSELDORF Während in NRW 20.000 Mitarbeiter von Schlachthöfen auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden sollen, zeigen sich immer stärker die weltweiten Dimensionen des Problems. Denn die Fleischindustrie hat nicht nur in Deutschland mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen. Auch in anderen Ländern wie den USA, Spanien, Irland, Brasilien oder Australien haben sich Schlachthöfe zu Zentren des Infektionsgeschehens entwickelt. Allein in einer Fabrik des US-Fleischfabrikanten Smithfield im Bundesstaat South Dakota infizierten sich 850 Mitarbeiter. Der „Guardian“berichtet, dass in den USA in 180 Schlachthöfen Infektionen aufgetreten seien.
Die Antworten auf die Frage, warum ausgerechnet diese Branche so stark betroffen ist, variieren – je nachdem, wen man fragt. Deutschlands größter Fleischverarbeiter, das Unternehmen Tönnies, begründete das erhöhte Risiko damit, dass man in der Krise auf Bitte der Politik ähnlich wie Krankenhäuser und Pflegeheime weitergearbeitet habe, um die Lebensmittelversorgung zu sichern. Ähnlich argumentieren auch Unternehmen in den USA.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) prangerte jedoch auch die Arbeits- und Lebensbedingungen an. So würden oft zu viele der überwiegend osteuropäischen Arbeiter auf zu wenig Raum untergebracht. Der katholische Geistliche Peter Kossens, der sich seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigranten einsetzt, sagt: „Die Beschäftigten in den Schlachthöfen sind wegen der harten Arbeit ausgelaugt und deshalb besonders anfällig.“
Die Zwischenfälle in den Schlachthöfen werden weltweit zu einem Problem, denn die Schweine- und Rinderzüchter wollen regelmäßig Tiere anliefern. Werden die Schweine nicht rechtzeitig abgenommen, werden sie zu groß und alt für die Verarbeitung. Der Landwirt bleibt auf den Kosten sitzen und muss im Zweifel sogar noch für die Tötung und Entsorgung der Tiere aufkommen. US-Präsident Donald Trump stufte die Schlachthöfe daher bereits als kritische Infrastruktur ein, nachdem die Behörden diese aufgrund der Infektionen geschlossen hatten. So soll sichergestellt werden, dass das Fleisch weiter verarbeitet wird. Am Wochenende kündigte er den Aufkauf von Fleisch und anderen Produkten im Umfang von drei Milliarden Dollar an. Der westfälische Landwirtschaftsverband sorgt sich ebenfalls um Absatz und Preise. Der Schlachthof in Coesfeld wird von 1000 Schweinemästern aus der Region beliefert.
In Deutschland sollen Kontrollen nun dafür sorgen, dass Betriebe nicht geschlossen werden müssen, weil Infektionen frühzeitig erkannt werden. Bei Tönnies arbeitet laut Unternehmensangaben seit Montag ein Testzentrum auf dem Betriebsgelände in Rheda-Wiedenbrück, nachdem zuvor in Coesfeld in einem Betrieb von Westfleisch rund 250 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden waren.
Das Land erwarte jetzt vom Schlachthofbetreiber ein umfangreiches Hygienekonzept zur Beilegung der Mängel, sagte Laumann. Bei einigen Unterkünften von Arbeitern der Coesfelder Fleischfabrik seien „erhebliche Mängel“beim Infektionsschutz festgestellt worden.
In Deutschland arbeiten 128.000 Menschen in den 1400 Schlachtund Verarbeitungsbetrieben. Obwohl der Fleischkonsum seit 2000 pro Kopf von 61,5 Kilo auf 59,5 Kilogramm abgenommen hat, ist die Fleischproduktion deutlich gestiegen.