Rheinische Post Viersen

Viersen will junge Flüchtling­e aufnehmen

- VON MARTIN RÖSE

VIERSEN Die Stadt Viersen erklärt der Bundesregi­erung schriftlic­h, dass sie bereit ist, eine Gruppe von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en sowie Familien mit Kindern und Jugendlich­en aus den griechisch­en Lagern aufzunehme­n. Das beschloss der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung mit den Stimmen aller Fraktionen – lediglich der NPD-Ratsherr stimmte dagegen.

Flüchtling­shelfer beklagen seit Monaten unmenschli­che Bedingunge­n. Allein auf Lesbos befinden sich mehr als 19.000 Menschen. Sie leben in dem Flüchtling­slager Moria, das für weniger als 3000 Menschen ausgelegt ist. Acht EU-Staaten hatten zugesagt, mindestens 1600 besonders schutzbedü­rftige Migranten aus den vielfach überbelegt­en Flüchtling­slagern auf den griechisch­en Ägäisinsel­n aufzunehme­n. Die Bundesregi­erung erklärte sich zur Aufnahme von 350 Kindern und Jugendlich­en bereit, insbesonde­re von unbegleite­ten Mädchen unter 14 Jahren. Kritiker werfen ihr vor, dass es die in den Lagern kaum gebe. Laut Angaben der griechisch­en Behörden sind mehr als 90 Prozent der unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e und Migranten auf den griechisch­en Inseln männlich. Und die allermeist­en zwischen 15 und 18 Jahren alt.

Die Viersener Entscheidu­ng fußt auf einem Antrag der Grünen aus dem März. Bereits im Februar 2019 habe die Stadt Viersen den Weg frei gemacht, um in Seenot geratene Flüchtling­e freiwillig aufzunehme­n, erklärte Grünen-Vorsitzend­e Martina Maaßen. „Es ist an der Zeit, diese humanitäre Geste konkret mit Leben zu füllen und auf die aktuelle Situation in den südlichen Ländern der EU-Außengrenz­en anzuwenden – selbst wenn eine akute Seenot nach der gelungenen Überfahrt nicht mehr gegeben ist.“Gedacht sei an 20 bis 30 Flüchtling­e, so Maaßen. Der Entscheidu­ng war eine längere Diskussion vorausgega­ngen. Die FDP störte sich insbesonde­re daran, dass die Grünen eine Erklärung der niedersäch­sischen Landesregi­erung und diverser Kommunen zur Grundlage machen wollten, nach der Deutschlan­d 500 Flüchtling­e evakuieren solle. „Die FDP unterstütz­t, dass wir Flüchtling­e aufnehmen und unsere Bemühungen verstärken“, sagte Frank a Campo, schob aber hinterher: „Im Rahmen einer europäisch­en Einigung.“Die aber ist außer Sichtweite – auch von der Koalition der acht willigen Länder haben bislang erst Luxemburg und Deutschlan­d Flüchtling­e aufgenomme­n. Alles, was darüber hinausgehe, unterstütz­e das „verbrecher­ische

Geschäftsm­odell der Schleuserb­anden“, so a Campo.

„Befremdlic­h“sei die Sichtweise der Freidemokr­aten, erklärte die Grüne Maaßen. Schließlic­h hätten auch humanitäre Hilfsorgan­isationen die Flüchtling­e nach Griechenla­nd gebracht. „Jeder Einzelne dort braucht Hilfe.“SPD und CDU begrüßten den Antrag. „Es geht darum, einen Beitrag zu leisten, unaussprec­hliches Elend zu verringern“, sagte der CDU-Fraktionsc­hef Stephan Sillekens. Er baute auch die Brücke für die breite Mehrheit – indem er vorschlug, den Passus mit den 500 Flüchtling­en zu streichen und auf die Einigung der Regierungs­koalition mit 350 Flüchtling­en zu verweisen. Damit konnte auch die FDP leben. Und nun? „Es ist noch nicht klar, wie zugewiesen wird“, sagte Bürgermeis­terin Sabine Anemüller (SPD). Die Stadt Viersen sei aber bereits angefragt worden, ob sie Flüchtling­skinder aus griechisch­en Lagern aufnehmen könne, berichtete die Beigeordne­te Cigdem Bern. Werde die Verteilung so geregelt wie im Fall der „Sicheren Häfen“, würden die zugewiesen­en Flüchtling­e auf die Quote der Kommune draufgerec­hnet. Bern: „Somit entstünde für die aufnehmend­en Kommunen in Bezug auf Familien keine finanziell­e Mehrbelast­ung.“Die Verwaltung habe bereits Kontakt mit Trägern der freien Jugendhilf­e aufgenomme­n. Kurzfristi­g stünden zehn Plätze für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e bereit, weitere könnten binnen zwei Monaten entstehen. Auch Freizeitun­d Kinderbetr­euung seien kurzfristi­g zu regeln.

 ?? FOTO: DPA ?? Das griechisch­e Flüchtling­slager Moria ist überfüllt.
FOTO: DPA Das griechisch­e Flüchtling­slager Moria ist überfüllt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany