Bürgerbegehren vor der Entscheidung
Am Donnerstag entscheidet der Stadtrat, ob er das Bürgerbegehren gegen die Sanierung der Werner-Jaeger-Halle zulässt oder nicht. Externe Juristen und die Verwaltung verweisen auf die Grundsatzentscheidung von 2017.
NETTETAL Auf der Homepage des Vereins „Mehr Demokratie“ist unter Nettetal zu lesen, dass die Unterschriftensammlung gestartet und das Ergebnis offen sei. Das könnte sich am Donnerstag ändern, denn das Bürgerbegehren steht auf der Tagesordnung des Rates. Der Beschlussvorschlag ist eindeutig: Der Antrag auf Vorprüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Stoppt Steuerverschwendung WJH abreißen“soll zurückgewiesen werden. Hilfsweise soll die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt werden. Wie es aussieht, wird der Stadtrat zu großen Teilen diesem Vorschlag folgen. Den Initiatoren bliebe dann nur der Klageweg.
Die Enttäuschung und Wut bei den Betroffenen ist groß. Sascha Hagenschneider, einer der drei Initiatoren des Bürgerbegehrens, schreibt in seinen Posts von Vetternwirtschaft und Unwahrheiten, erklärt die Sanierung der Werner-Jaeger-Halle zum Prestigeprojekt einer Nettephilharmonie. Diese Anspielung bezieht sich auf die Kostensteigerungen bei der Elbphilharmonie in Hamburg. Gini Harmes fürchtet sogar, dass der Bürgermeister die Demokratie abschaffen wolle.
Der Landtag hat der Regierung den Auftrag gegeben, für Bürgerbegehren in Zeiten von Pandemien längere Fristen von zusätzlich vier bis sechs Wochen einzuräumen. Das soll jetzt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung umsetzen. Doch eine zukünftige neue Regelung käme für die aktuellen Bürgerbegehren zu spät. Bürgermeister Christian Wagner (CDU) hat deshalb an der Vorlage für den Stadtrat nichts geändert. Es wird in dieser Woche eine Telefonkonferenz mit dem Ministerium geben. Aber die Landtagsentscheidung helfe bei diesem sehr komplexen Thema aktuell nicht weiter.
Obwohl die Verwaltung über mehrere Volljuristen verfügt, entschied sich die Verwaltungsspitze dazu, sich externe Expertise einzukaufen. Die Wahl fiel auf die Kanzlei Wolter. Hoppenberg in Münster, die große Erfahrungen bei Bürgerbegehren hat – für beide Seiten. Für Wagner ist die Sache so verfahren, weil die Intiatoren so viel Zeit verloren hätten. Die Verwaltung habe schon viel früher eine Vorprüfung empfohlen. Wenn sie rechtzeitig eingereicht worden wäre, hätte man Formfehler auch noch ausbügeln können. Und auch bei einer Vorprüfung hätten parallel bereits Unterschriften gesammelt werden können.
Die Anwälte halten das Bürgerbegehren abgesehen von den aktuellen Fristen eh schon für verfristet. Es käme drei Jahre zu spät. Der Ratsbeschluss
aus dem November habe die Entscheidung zur Sanierung aus dem Jahr 2017 nur bestätigt, auch wenn die Kosten heute ganz andere seien als damals kalkuliert. Das Bürgerbegehren, so Wagner weiter, scheitere nicht an „hergeholten Formfehlern“, die Ablehnung sei vielmehr in sich selbst begründet. Wagner geht davon aus, dass diese Entscheidung gerichtsfest sei. Die Kosten seien für den Antrag auf ein Bürgerbegehren nicht entscheidend, sondern der Grundsatzentschluss von 2017. Damals hätte ein Bürgerbegehren beantragt werden
können. Dass er die Kostenschätzung mit Absicht erst abgeschickt habe, als die Corona-Krise begann, nennt Wagner Unsinn.
Landesgeschäftsführer Alexander Trennhäuser von Mehr Demokratie NRW sieht die Lage anders: Ein Grundsatzbeschluss gelte nicht für alle Zeiten. Das sähen immer mehr Gerichte in konkreten Verfahren so. Trennhäuser nennt den Erhalt des VHS-Gebäudes in Mülheim an der Ruhr als Beispiel. Der Geschäftsführer von Mehr Demokratie ärgert sich regelmäßig, wenn bei vielen Bürgerbegehren die Verwaltungen nach alten Beschlüssen „graben“, um Bürgerbegehren abzuwenden. Damit seien viele Projekte für alle Zeiten den Bürgern entzogen. Die Gerichte aber ließen Bürgerbegehren teilweise zu, wenn die Finanzierungsfrage nicht abschließend geklärt war.