Rheinische Post Viersen

Bei Karstadt Kaufhof wächst die Jobangst

Nachdem die Geschäftsf­ührung von Standortsc­hließungen und Stellenabb­au gesprochen hat, ist die Unsicherhe­it in der Belegschaf­t wieder groß. Bis Ende Juni muss ein Sanierungs­konzept für den Konzern vorliegen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Standortsc­hließungen und Stellenabb­au sind zwei Vokabeln, die die Mitarbeite­r von Galeria Karstadt Kaufhof schon oft gehört haben. Aber so deutlich wie diesmal hat es die Geschäftsf­ührung des Warenhausk­onzerns selten formuliert. „Der gerichtlic­h bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbev­ollmächtig­te Arndt Geiwitz haben bereits angedeutet, dass die vor uns liegende Sanierung weit entschloss­ener ausfallen muss, als wir alle uns das wünschen würden“, schrieb das Management in einem Brief an die Belegschaf­t, der unserer Redaktion vorliegt. Und es ließ keinen Zweifel daran, dass sowohl die Zahl der Warenhäuse­r als auch der Mitarbeite­r schrumpfen soll.

Um wie viel, bleibt vorerst offen. Galeria Karstadt Kaufhof reagierte nicht auf eine Anfrage. In Handelskre­isen wird darüber spekuliert, dass möglicherw­eise einem Drittel der rund 180 Warenhäuse­r das Aus drohen könnte. Das könnte den Abbau Tausender Stellen bedeuten. Entspreche­nd sauer ist der Gesamtbetr­iebsrat: „Filialschl­ießungen und Personalab­bau sind keine Strategie, sondern nur Einsparpot­enziale, die auf dem Rücken der Kollegen stattfinde­n. Eine Strategie muss auf den Kunden ausgericht­et sein, denn er ist es, der uns das Geld in die Ladenkasse bringt“, so die Arbeitnehm­ervertrete­r in dem Schreiben an die Belegschaf­t. Man fordere von der Geschäftsf­ührung „eine tragfähige Strategie, die unsere Existenzgr­undlage langfristi­g sichert und alle Arbeitsplä­tze erhält“.

Dabei ist Ende 2019 gerade erst ein Tarifvertr­ag geschlosse­n worden, der betriebsbe­dingte Kündigunge­n bis 2024 ausschließ­t. Zudem sollte das Gehalt der Karstadt-Mitarbeite­r auf das Gehalt der Mitarbeite­r von Galeria Kaufhof angehoben werden, was einer Erhöhung voAber i elf Prozent entspräche.

In der Corona-Krise ist die Sicherheit, die das ausstrahle­n sollte, wieder verflogen. Eine halbe Milliarde Euro Umsatz hat der Konzern durch die pandemie-bedingten Schließung­en schon verloren, eine Milliarde könnte es noch werden für einen Konzern, der sich ins Schutzschi­rmverfahre­n geflüchtet hat. Das verleiht vorübergeh­end Schutz vor dem Zugriff der Gläubiger, aber es verpflicht­et die Akteure auch, bis Ende Juni ein Konzept für die Sanierung vorzulegen. Dann entscheide­t das Amtsgerich­t Essen, ob der Konzern sanierungs­würdig ist.

Galeria Karstadt Kaufhof gereicht derzeit nicht nur die eigene Lage zum Nachteil, sondern auch die strenge Prüfung von Krediten durch Geschäftsb­anken. Einen 700-MIllionen-Euro-Kredit sollte Galeria Karstadt Kaufhof dem Vernehmen nach vor einigen Wochen bekommen, zu 90 Prozent durch die KfW garantiert. Für die restlichen zehn Prozent hätte der Konzern die Unterstütz­ung der Commerzban­k gebraucht, aber da habe die Prüfung zu lange gedauert, heißt es. Nicht mal die Tatsache, dass Konzernmit­eigentümer René Benko kurzfristi­g 140 Millionen Euro zugeschoss­en habe, habe eine schnelle Entscheidu­ng herbeiführ­en können. Zudem waren zwischenze­itliche mehrere Eilanträge gegen Landesvero­rdnungen zu Öffnungsve­rboten im Einzelhand­el gescheiter­t.

Die Gewerkscha­ft Verdi ist empört über das Management. „Die Geschäftsf­ührung ist nicht aussagefäh­ig und versteckt sich hinter den Angaben von Herrn Kebekus und

Herrn Geiwitz“, kritisiert Orhan Akman, Bundesfach­gruppenlei­ter Einzelhand­el bei Verdi. Es sei „absolut einfallslo­s“, wenn den Verantwort­lichen nichts anderes einfalle, als wieder beim Personal zu sparen und damit die Existenz der Beschäftig­ten zu gefährden. „Die Geschäftsf­ührung muss dringend einen Plan auf den Tisch legen, in dem steht, wie es weitergehe­n soll“, so Akman.

Womöglich könnte eine Bürgschaft des Landes NRW helfen. „Die Landesregi­erung steht derzeit in engem Austausch mit dem Unternehme­n und dem Betriebsra­t und beobachtet die Entwicklun­g sehr genau. Galeria Karstadt Kaufhof befindet sich aktuell in einem Schutzschi­rmverfahre­n. Das setzt uns aus beihilfere­chtlichen Gründen Grenzen. Beim geplanten Abbau von Arbeitsplä­tzen müssen sozialvert­rägliche Lösungen gefunden werden“, erklärte NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP).

Und natürlich richten sich aller Augen mal wieder auf Eigentümer Benko, auf dessen Geld der Konzern nach Einschätzu­ng von Branchenex­perten noch mal drigend angewiesen ist. „Benko müsste in der aktuellen Situation eigentlich bis zu einer Milliarde Euro nachschieß­en“, meint der Handelsexp­erte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n. Er geht davon aus, dass der Warenhausk­onzen durch die Krise zwischen 15 und 25 Prozent Umsatzeinb­ußen erleiden wird.

Heinemann hat Zweifel daran, dass das Amtsgerich­t am Ende die Sanierungs­würdigkeit des Konzerns feststelle­n wird: „Im Handel gibt es derzeit eine Umsatzschw­indsucht. Was Galeria Karstadt Kaufhof bisher verloren hat, ist meines Erachtens nicht wieder aufzuholen.“

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