Bei Karstadt Kaufhof wächst die Jobangst
Nachdem die Geschäftsführung von Standortschließungen und Stellenabbau gesprochen hat, ist die Unsicherheit in der Belegschaft wieder groß. Bis Ende Juni muss ein Sanierungskonzept für den Konzern vorliegen.
DÜSSELDORF Standortschließungen und Stellenabbau sind zwei Vokabeln, die die Mitarbeiter von Galeria Karstadt Kaufhof schon oft gehört haben. Aber so deutlich wie diesmal hat es die Geschäftsführung des Warenhauskonzerns selten formuliert. „Der gerichtlich bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz haben bereits angedeutet, dass die vor uns liegende Sanierung weit entschlossener ausfallen muss, als wir alle uns das wünschen würden“, schrieb das Management in einem Brief an die Belegschaft, der unserer Redaktion vorliegt. Und es ließ keinen Zweifel daran, dass sowohl die Zahl der Warenhäuser als auch der Mitarbeiter schrumpfen soll.
Um wie viel, bleibt vorerst offen. Galeria Karstadt Kaufhof reagierte nicht auf eine Anfrage. In Handelskreisen wird darüber spekuliert, dass möglicherweise einem Drittel der rund 180 Warenhäuser das Aus drohen könnte. Das könnte den Abbau Tausender Stellen bedeuten. Entsprechend sauer ist der Gesamtbetriebsrat: „Filialschließungen und Personalabbau sind keine Strategie, sondern nur Einsparpotenziale, die auf dem Rücken der Kollegen stattfinden. Eine Strategie muss auf den Kunden ausgerichtet sein, denn er ist es, der uns das Geld in die Ladenkasse bringt“, so die Arbeitnehmervertreter in dem Schreiben an die Belegschaft. Man fordere von der Geschäftsführung „eine tragfähige Strategie, die unsere Existenzgrundlage langfristig sichert und alle Arbeitsplätze erhält“.
Dabei ist Ende 2019 gerade erst ein Tarifvertrag geschlossen worden, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2024 ausschließt. Zudem sollte das Gehalt der Karstadt-Mitarbeiter auf das Gehalt der Mitarbeiter von Galeria Kaufhof angehoben werden, was einer Erhöhung voAber i elf Prozent entspräche.
In der Corona-Krise ist die Sicherheit, die das ausstrahlen sollte, wieder verflogen. Eine halbe Milliarde Euro Umsatz hat der Konzern durch die pandemie-bedingten Schließungen schon verloren, eine Milliarde könnte es noch werden für einen Konzern, der sich ins Schutzschirmverfahren geflüchtet hat. Das verleiht vorübergehend Schutz vor dem Zugriff der Gläubiger, aber es verpflichtet die Akteure auch, bis Ende Juni ein Konzept für die Sanierung vorzulegen. Dann entscheidet das Amtsgericht Essen, ob der Konzern sanierungswürdig ist.
Galeria Karstadt Kaufhof gereicht derzeit nicht nur die eigene Lage zum Nachteil, sondern auch die strenge Prüfung von Krediten durch Geschäftsbanken. Einen 700-MIllionen-Euro-Kredit sollte Galeria Karstadt Kaufhof dem Vernehmen nach vor einigen Wochen bekommen, zu 90 Prozent durch die KfW garantiert. Für die restlichen zehn Prozent hätte der Konzern die Unterstützung der Commerzbank gebraucht, aber da habe die Prüfung zu lange gedauert, heißt es. Nicht mal die Tatsache, dass Konzernmiteigentümer René Benko kurzfristig 140 Millionen Euro zugeschossen habe, habe eine schnelle Entscheidung herbeiführen können. Zudem waren zwischenzeitliche mehrere Eilanträge gegen Landesverordnungen zu Öffnungsverboten im Einzelhandel gescheitert.
Die Gewerkschaft Verdi ist empört über das Management. „Die Geschäftsführung ist nicht aussagefähig und versteckt sich hinter den Angaben von Herrn Kebekus und
Herrn Geiwitz“, kritisiert Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel bei Verdi. Es sei „absolut einfallslos“, wenn den Verantwortlichen nichts anderes einfalle, als wieder beim Personal zu sparen und damit die Existenz der Beschäftigten zu gefährden. „Die Geschäftsführung muss dringend einen Plan auf den Tisch legen, in dem steht, wie es weitergehen soll“, so Akman.
Womöglich könnte eine Bürgschaft des Landes NRW helfen. „Die Landesregierung steht derzeit in engem Austausch mit dem Unternehmen und dem Betriebsrat und beobachtet die Entwicklung sehr genau. Galeria Karstadt Kaufhof befindet sich aktuell in einem Schutzschirmverfahren. Das setzt uns aus beihilferechtlichen Gründen Grenzen. Beim geplanten Abbau von Arbeitsplätzen müssen sozialverträgliche Lösungen gefunden werden“, erklärte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).
Und natürlich richten sich aller Augen mal wieder auf Eigentümer Benko, auf dessen Geld der Konzern nach Einschätzung von Branchenexperten noch mal drigend angewiesen ist. „Benko müsste in der aktuellen Situation eigentlich bis zu einer Milliarde Euro nachschießen“, meint der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Er geht davon aus, dass der Warenhauskonzen durch die Krise zwischen 15 und 25 Prozent Umsatzeinbußen erleiden wird.
Heinemann hat Zweifel daran, dass das Amtsgericht am Ende die Sanierungswürdigkeit des Konzerns feststellen wird: „Im Handel gibt es derzeit eine Umsatzschwindsucht. Was Galeria Karstadt Kaufhof bisher verloren hat, ist meines Erachtens nicht wieder aufzuholen.“