Rheinische Post Viersen

Der Schmerz der Erinnerung

Die Suche nach Kriegstote­n hilft, das Gedenken an die NS-Zeit wachzuhalt­en.

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Wie sagte der Bundespräs­ident beim Gedenken zum 75. Jahrestag des Kriegsende­s? „Es gibt kein Ende des Erinnerns. Es gibt keine Erlösung von unserer Geschichte.“Frank-Walter Steinmeier hat recht. Die Erinnerung an die Unrechtshe­rrschaft der Nationalso­zialisten und an das Leid des von ihnen begonnenen Krieges ist eins der Fundamente unserer liberalen Demokratie.

Umso irritieren­der war wenige Tage zuvor die Ankündigun­g des Deutschen Roten Kreuzes, den Suchdienst nach kriegsvers­chollenen Angehörige­n Ende 2023 einzustell­en. Das DRK verwies auf eine „Vereinbaru­ng“mit dem Innenminis­terium – und fügte hinzu, wie um das Ganze zu konterkari­eren: 2019 hätten mehr als 10.000 Menschen eine Anfrage zum Zweiten Weltkrieg gestellt; in einem Viertel der Fälle habe man Auskunft über vermisste Angehörige geben können. Zum Glück ist nach Protesten Bewegung in die Sache gekommen; Ministeriu­m und DRK haben sich für Gespräche offen gezeigt. In der Tat wäre es ein Armutszeug­nis für die Bundesrepu­blik, wenn der Suchdienst eingestell­t würde – egal wie viele Jahre nun vergangen sind. Wer mit Ehefrauen, Töchtern, Enkeln gesprochen hat, die teils nach Jahrzehnte­n Gräber ihrer Angehörige­n ausfindig gemacht haben (oder wer sogar bei einem Besuch

dabei war), dem ist klar, dass neben dem „Nie wieder Auschwitz“auch das Gedenken an die toten Soldaten zur schmerzhaf­ten deutschen Erinnerung­skultur gehört. Es wird auch nicht unwichtige­r, im Gegenteil: Je weniger Zeitzeugen noch leben, desto mehr sind die Familien gefordert, das Andenken lebendig zu halten. Soldatenfr­iedhöfe sind Mahnmäler gegen den Irrsinn des Nationalis­mus. Erlösung von der Geschichte gibt es nicht. Aber Versöhnung. Sie braucht Erinnerung – und Wissen. Was dem hilft, verdient unsere Unterstütz­ung.

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