„Bundesliga-Spiele bei Öffentlich-Rechtlichen“
Die Linksparteichefin fordert mehr Corona-Hilfen der Bundesregierung und kritisiert Armin Laschet.
Frau Kipping, Sie kritisieren die Lockerungen der Corona-Maßnahmen scharf. Sehen Sie keine Gefahr für die Wirtschaft, wenn sie noch länger zum Erliegen kommt? KIPPING Die jetzigen Lockerungen werden zu einer zweiten – schlimmeren – Infektionswelle und damit zu einem zweiten und schärferen Shutdown führen. Die Gefahr ist groß, dass die Wirtschaft in Deutschland und damit der Sozialstaat dann erst recht komplett erschüttert werden. Das hat dann die Lockerungslobby von Lindner, Laschet und Co. mit ihrer ökonomisch kontraproduktiven und kurzsichtigen Öffnungspolitik zu verantworten. Aber auch der Kurs der Bundesregierung hat blinde Flecken.
Welche?
KIPPING Sie hat zum Beispiel keinen ausreichenden Schutzschirm für die Ärmsten aufgespannt. Deren Lebenshaltungskosten steigen aber in der Krise, oder für Solo-Selbstständige, die zwar Wirtschaftshilfen für das Unternehmen bekommen, aber für sich selbst Grundsicherung beantragen sollen. Doch zu den Tücken von
Hartz IV gehört, dass das Einkommen des Partners angerechnet wird. Das bedeutet drastische Einbußen. Und die Regierung greift nicht durch bei Konzernen. Bei Amazon gab es viele Infizierte wegen Schlampereien beim Infektionsschutz, aber keine schmerzhaften Konsequenzen für das Unternehmen. Andere Firmen bringen Werksarbeiterinnen und Werksarbeiter und Saisonkräfte in Sammelunterkünften unter. Den Bürgern werden massive Einbußen zugemutet, aber beim Infektionsschutz in einigen großen Betrieben wird geschlampt. Sammelunterkünfte sollten durch dezentrale Unterbringung ersetzt werden. Das gilt auch für Geflüchtete. Viele Ferienwohnungen sind gerade frei. Die müssen angemietet werden, dann ist zugleich dieser Branche geholfen.
Was ist denn Ihr Kurs, um diese Pandemie zu überstehen?
KIPPING Bei den jetzigen Lockerungen ist die Infektionsrate nicht zu senken. Das Virus zu stoppen, erfordert erstens steuerndes Eingreifen in die Wirtschaft, zweitens Sammelunterkünfte durch dezentrale
Unterbringung zu ersetzen sowie drittens medizinische Schutzmasken für alle und viel mehr Tests. Nicht nur für die Fußball-Bundesliga. Das fehlt doch an anderer Stelle. Ich rechne ohnehin nicht mit einem normalen Ende der Spielsaison. Was passiert, wenn manche Mannschaften mehrfach in Quarantäne kommen? Allein das wird für sportliche Ungerechtigkeit sorgen, weil nicht alle gleich trainieren können und Spiele verschoben werden müssen. Wenn sie dann aber doch stattfinden, müssen alle Spiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen werden, um zu vermeiden, dass die Fußballfans sich auf engen Raum bei denen versammeln, die Sky abonniert haben.
Derzeit versammeln sich Verschwörungstheoretiker, Links- und Rechtsextremisten. Befürchten Sie eine Entwicklung wie bei der AfD? KIPPING Gründe, die Bundesregierung zu kritisieren, gibt es ausreichend. Doch das da ist kein Protest gegen die Obrigkeit, sondern nur egoistisch. Rechte, die schon den Klimawandel leugneten, leugnen nun die Pandemie.
Linksextremisten sind nicht dabei? KIPPING Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da Linke wohlfühlen. Generell gilt, dass der Infektionsschutz nicht dafür missbraucht werden darf, dass Protestversammlungen nicht genehmigt werden. Man kann starke Botschaften auch durch Bilder senden, ohne sich zu nahe zu kommen so wie es etwa „Fridays for Future“zwischen Bundestag und Kanzleramt mit einer Plakat-Aktion gemacht hat.