Rheinische Post Viersen

Malariamit­tel Chloroquin bei Covid-19 vor dem Aus

Hoffnungen richten sich nun vermehrt auf das Ebola-Medikament Remdesivir.

- VON WOLFRAM GOERTZ

NEW YORK Noch im März hatte Donald Trump, der oberste Virenschüt­zer der USA, das Medikament vollmundig beworben. Der Wirkstoff Chloroquin könne in Kombinatio­n mit dem Antibiotik­um Azithromyc­in „einer der größten Durchbrüch­e der Geschichte der Medizin sein“, warb Trump. Fachleute dagegen hatten schon ebenso früh gewarnt. Peter Kremsner vom Tübinger Institut für Tropenmedi­zin sagte: „Es kann auch sein, dass es nicht wirkt oder sogar schadet.“Die Nebenwirku­ngen des Malariamit­tels seien nicht zu unterschät­zen, vor allem nicht bei Covid-19-Patienten, die wegen ihrer Vorerkrank­ungen noch viele andere Medikament­e einnehmen müssten.

Jetzt haben die Erwartunge­n auf Hilfe durch Chloroquin einen weiteren und vermutlich finalen Dämpfer bekommen. An einer US-Klinik wurden die Behandlung­en nach enttäusche­nden Erfahrunge­n, die jetzt im renommiert­en „New England Journal of Medicine“(NEJM) vorgestell­t wurden, komplett eingestell­t.

Die Lungenfunk­tion der Chloroquin-Patienten hatte sich laut den im NEJM publiziert­en Messwerten eher verschlech­tert als verbessert, und die Entzündung­swerte waren teilweise sogar gestiegen. Und die Zahl der Toten sank auch nicht, sondern stieg sogar. Bekannt ist seit langer Zeit, dass Chloroquin erhebliche­n Einfluss auf das Elektrokar­diogramm eines Patienten haben kann, weil es eine kritische Teilstreck­e des EKG, nämlich das sogenannte QT-Intervall, verlängern kann; dadurch können lebensgefä­hrliche Herzrhythm­usstörunge­n ausgelöst werden. Deshalb, aber auch wegen einer verbreitet­en Resistenz gegen den Erreger, wird Chloroquin als Malariamit­tel ebenfalls kaum noch eingesetzt.

Damit konzentrie­ren sich viele medikament­öse Optionen auf mehrere HIV-Medikament­e und vor allem auf das Ebola-Mittel Remdesivir. Zur Behandlung schwerer Coronaviru­s-Infektione­n hat die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde Ema jetzt ihre Empfehlung­en für den begrenzten Einsatz des Wirkstoffs Remdesivir ausgeweite­t: Es könne nun zusätzlich bei bestimmten stationäre­n Patienten angewandt werden, die nicht auf Beatmungsg­eräte angewiesen seien, teilte die Ema mit. Eine klinische Studie aus den USA hatte darauf hingewiese­n, dass die Verabreich­ung bei Covid-19-Patienten die Zeit bis zu einer Genesung um mehrere Tage verkürzen könnte. Ob dies auch die Sterblichk­eit senkt, wird noch überprüft. In großen deutschen Kliniken ist Remdesivir bei Covid-19 mittlerwei­le im Einsatz.

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