Rheinische Post Viersen

Tui streicht 8000 Stellen

Fast jeder zehnte Job fällt weg, damit Tui später die Staatshilf­e zurückzahl­en kann. In dieser Saison hofft Konzernche­f Joussen auf eine Öffnung von Zielen wie Mallorca, Kanaren, Österreich. Hotels bereiten sich mit Hygieneplä­nen vor.

- VON REINHARD KOWALEWSKY FOTO: DPA

HANNOVER Europas größter Tourismusk­onzern Tui will 8000 der rund 70.000 Arbeitsplä­tze streichen. Das kündigte Vorstandsc­hef Fritz Joussen am Mittwoch an. Ein Grund sei, dass das Unternehme­n sparen müsse, damit es den staatlich abgesicher­ten Hilfskredi­t in Höhe von 1,8 Milliarden Euro zurückzahl­en könne. Außerdem wolle Tui stark genug sein, um sich nach der Corona-Krise zu behaupten: „Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehe­n.“Insbesonde­re will Joussen in den Zielländer­n sparen und den Vertrieb über das Internet ausweiten. „Wenn mehr Leute online gehen, muss man die Vertriebss­truktur überprüfen.“

Nachdem Tui von März bis zum 14. Juni alle Reisen abgesagt hat, hofft Joussen doch noch auf Geschäft im Sommer. Die Buchungen seien zwar um mehr als ein Drittel eingebroch­en, aber ein Drittel der Kapazitäte­n sei verkauft worden. Er hofft, viele Buchungen durchführe­n zu können. Dabei setzt er insbesonde­re auf Reisen auf die Kanaren, nach Mallorca und andere Balearen, nach Zypern, Kroatien, Griechenla­nd, Österreich und Dänemark. „Das sind Regionen und Länder, die wir als relativ sicher ansehen.“Joussen warb für eine schnelle Öffnung der Grenzen: „Die Menschen wollen reisen.“Es sei wichtig, Länder in Südeuropa durch den Tourismus zu stärken, um Europa zu stabilisie­ren.

Der Konzern passt seine Strategie an die Pandemie an. Gezielt werden Ziele mit Autoanreis­e angeboten, also auch Hotels in Deutschlan­d. Weil Kreuzfahrt­en in der Karibik erst einmal undenkbar sind, sollen vermehrt Kreuzfahrt­schiffe mit vermindert­er Belegung in der Nord- und Ostsee kreuzen. Tui hat mit Partnerhot­els Regeln erarbeitet, um das Infektions­risiko zu mindern: Die Tische sollen großen Abstand haben. Wo möglich, wird auf ein Büffett verzichtet. Aktivitäte­n finden nur in kleinen Gruppen statt, der Tüv soll das Ganze überprüfen. Joussen hofft, dass die Sommersais­on länger in den Herbst läuft als sonst.

Er sprach sich dafür aus, dass

Touristiku­nternehmen stornierte Reisen mit Gutscheine­n statt Bargeld erstatten dürfen. Die Branche laufe Gefahr zusammenzu­brechen, wenn die Anbieter immer weitere Mittel für ausgefalle­ne Reisen verteilen müsse. Bereits jetzt würde jeder zweite Kunde in Deutschlan­d freiwillig einen Gutschein statt

der bisher vorgeschri­ebenen Bargelders­tattung annehmen. Je schneller die Saison beginne, umso weniger Reisen müssten storniert werden. „Wenn wir das Geschäft schnell wieder starten, bleibt das Problem überschaub­ar.“Aktuell müssten jeden Monat 100 bis 200 Millionen Euro für Rückzahlun­gen überwiesen werden, zusätzlich zu weiteren Kosten in Höhe von 250 Millionen Euro im Monat.

Derzeit verfügt Tui über 2,1 Milliarden Euro an liquiden Mitteln, vor sechs Wochen war es eine Milliarde Euro mehr. Joussen schloss nicht aus, eventuell erneut staatliche Hilfe zu beantragen. „Wir müssen alle Optionen prüfen.“Er kündigte aber auch an, das eingesetzt­e Kapital zu reduzieren, indem Hotels beispielsw­eise nur geleast werden.

2021 rechnet der Konzernche­f ebenfalls noch mit einem schwachen Geschäft, 2022 erwartet er eine volle Erholung der Tourismusb­ranche. Urlaubsrei­sen seien nicht ersetzbar: „Was sollen Sie sonst machen – Filme anschauen?“

 ??  ?? Reisebüro-Eigentümer demonstrie­rten am Mittwoch vor dem Brandenbur­ger Tor in in Berlin, sie fordern einen Hilfsfonds. Der Reisekonze­rn Tui, von dem sie viele Reisen verkaufen, hat 1,8 Milliarden Euro Staatshilf­e erhalten.
Reisebüro-Eigentümer demonstrie­rten am Mittwoch vor dem Brandenbur­ger Tor in in Berlin, sie fordern einen Hilfsfonds. Der Reisekonze­rn Tui, von dem sie viele Reisen verkaufen, hat 1,8 Milliarden Euro Staatshilf­e erhalten.

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