Komplettschutz vor Viren ist im Flugzeug unmöglich
Die Airlines wollen durchstarten – mit voller Kabine und viel Hygiene. Infektionsrisiken sind trotzdem nicht auszuschließen.
DÜSSELDORF Seit die Corona-Krise den Stillstand erzwang, ist auch ans Fliegen kaum zu denken. Danach überlegten die Airlines, die Mittelplätze in Flugzeugen unbesetzt zu lassen. Das aber sei unrentabel. Jetzt wollen sie auf volle Kraft, volle Besetzung und volle Hygiene setzen. Kann das funktionieren?
Gibt es Daten über Viren an Bord? Kaum, aus der Corona-Ära noch gar nicht. Kein Mensch kann Ort und Moment einer Infektion zweifelsfrei nachweisen.
Gibt es eine aktuelle Risikoabschätzung? Ja, der Flugmediziner David
Powell hat im Auftrag der IATA untersucht, wie groß das Risiko ist, sich an Bord von Flugzeugen mit SarsCoV-2 zu infizieren. Eine Umfrage bei Airlines, die rund 14 Prozent des weltweiten Luftverkehrs repräsentieren, ergab sieben Verdachtsfälle, in denen Passagiere und Crew-Mitglieder sich an Bord angesteckt haben könnten. Das könnte aber auch später im Hotel oder sonstwo passiert sein. Die Dunkelziffer ist zudem noch gar nicht eingerechnet. Die Frage ist, ob diese Einschätzung seriös ist. Stets sollte man Umfragen misstrauen, von deren angeblich erfreulichen Ergebnissen vor allem die Auftraggeber profitieren.
Wo lauert die größte Gefahr an Bord?
Vermutlich weniger in der Luft als vielmehr auf Flächen: den Armlehnen, dem Klapptischchen vor dem Passagier, den Türklinken zur Toilette, den Zeitschriften im Schubfach. Viren können dort länger überleben.
Wie arbeiten Klimaanlagen in Flugzeugen? Viren können durch Tröpfchen und Aerosole übertragen werden. Aber in der Kabine könnten sie nicht durch die Luft zirkulieren, denn sie würden durch die Klimaanlagen abgesaugt, das neutralisiere auch Viren, sagt Airbus-Chefingenieur Jean-Brice Dumont: „Die Luft in einem Flugzeug wird alle zwei bis drei Minuten komplett ausgetauscht, es gibt Filter, die auch bei Viren wirken.“Von oben nach unten ströme dieses reine Gemisch über die Passagiere, weshalb das Risiko, vom Nachbarn etwas einzuatmen, reduziert sei.
Und wenn ein unwissentlich infizierter Sitznachbar hustet? Diese Gefahr hat noch keiner der Luftfahrt-Experten ausschließen können. In der Branche setzt man jedenfalls auf ein System aus vielen Manövern: gestaffeltes Betreten der Kabine, eventuell Fiebermessen vor dem Abflug, Maskenpflicht – am besten höherwertig bis hin zum FFP3-Format und mit vorher gesäuberten Fingern angelegt. Hinzu kommen Desinfektionen der Terminals, der Kabine und des Handgepäcks, Ausgabe geeigneter Handgele und Desinfektionstücher.
Letzte Sicherheit wird es aber, sagen Infektiologen, nicht geben.
Wie kann man sich sonst noch schützen? Experten verweisen darauf, dass die Luftfeuchtigkeit im Flugzeug niedrig ist. Das aber trocknet die Nasenschleimhäute aus und macht sie zugänglich für Keime. Wer seine Schleimhäute pflegen will, sollte beim Flug viel trinken.
Werden die Maßnahmen die Abläufe verändern? Passagiere müssten vermutlich künftig früher am Flughafen sein. Und die Standzeiten der Maschinen werden sich durch die Kontrollen und die zusätzlich vorgeschriebenen Reinigungsmaßnahmen wohl auch verlängern.