600 Infektionen in Fleischindustrie
NRW will nun auch Sammelunterkünfte bei Bauern überprüfen.
DÜSSELDORF (dpa) In Deutschland gibt es derzeit 600 nachgewiesene Corona-Infektionen in der Fleischindustrie. Das teilte NRW-Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann im Gesundheitsausschuss des Düsseldorfer Landtags mit. Zugleich wies der CDU-Politiker Vorwürfe zurück, er sei nicht konsequent genug gegen Missstände in Schlachthöfen vorgegangen. Den Schuh, alles zu spät kontrolliert und geregelt zu haben, ziehe er sich nicht an. NRW hatte angeordnet, alle 20.000 Beschäftigten der Schlachthöfe in NRW auf das Corona-Virus zu testen, nachdem in einem Westfleisch-Betrieb in Coesfeld eine hohe Zahl von Infektionen entdeckt worden war.
Allein mit Landesrecht seien die seit vielen Jahren bekannten, häufig prekären Arbeitsverhältnisse in der deutschen Fleischindustrie aber nicht abzustellen, sagte Laumann. Für durchgreifende Verbesserungen sei eine gesetzliche Initiative der Bundesregierung erforderlich. „Egal, wer Schlachthofbetreiber ist. Wir müssen jetzt diesen Sumpf austrocknen. Die Pandemie gibt uns die Möglichkeit, das zu tun“, hatte er zuvor im WDR-Interview gesagt.
Die Gewerkschaft NGG betonte, bei der Schlachtung und Zerlegung herrsche seit Jahren ein „knallharter Wettbewerb auf Kosten von Mensch und Tier“. Clemens Tönnies, Chef von Deutschlands größtem Schlachtbetrieb, warnte dagegen vor pauschaler Kritik. „Laumann steht gerade sehr unter Druck, aber seine Kritik darf nicht zur Manie werden“, sagte Tönnies. Zuvor hatte der Kreis Gütersloh die ersten Zahlen nach Tests auf Corona-Infektionen bei Tönnies vorgestellt. Bislang sind von 784 ausgewerteten Proben der Mitarbeiter aus dem Schlachtbetrieb alle negativ ausgefallen.
NRW will nach der Fleischindustrie nun auch Sammelunterkünfte in anderen Bereichen, etwa bei Erntehelfern, stärker überprüfen. „Jeder Bauer muss wissen: Der Staat wird in dieser Saison gucken“, sagte der Minister. Anders als Arbeiter der Fleischbranche lebten Erntehelfer in Werkswohnungen, zu denen sich der Arbeitsschutz auch besser Zugang verschaffen könne.