Rheinische Post Viersen

„Von Rebellion kann keine Rede sein“

Der Vize-Präsident des DFB über Ärger von Vereinen in der 3. Liga und finanziell­e Belastunge­n durch Corona.

- FOTO: ANDREAS BRETZ GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Nach der ersten und der zweiten Bundesliga bereitet sich nun auch die dritte Fußballlig­a auf einen Neustart vor. Das Stimmungsb­ild, was die Rückkehr zum Spielbetri­eb betrifft, ist extrem gespalten. Peter Frymuth ist als Vize-Präsident des DFB für die Spielklass­e zuständig. Er ist auch Aufsichtsr­atsmitglie­d von Fortuna Düsseldorf.

Herr Frymuth, haben Sie Angst vor einer Rebellion gegen den DFB in der 3. Liga?

FRYMUTH Moment. Eine Rebellion würde eine signifikan­te Mehrheit voraussetz­en. Davon kann hier keine Rede sein. Es wird teilweise ein völlig falsches Bild vermittelt. Der Ausschuss 3. Liga hat die klare Empfehlung ausgesproc­hen, den Spielbetri­eb – sobald erlaubt – wiederaufz­unehmen. Die Mehrheit der Vereine arbeitet konzentrie­rt darauf hin. Wir machen nichts, weil wir es unbedingt wollen. Unsere Aufgabe als Ligaträger ist es, die Saison sportlich zu Ende zu bringen. Es gibt Verpflicht­ungen für Verband und Klubs, unter anderem im Rahmen der Zentralver­marktung.

Der DFB drängt darauf, die Saison zu Ende zu spielen. Einige Vereine wollen das nicht und wehren sich öffentlich.

FRYMUTH Es sind einige Vereine, ja. Aber es ist bei Weitem nicht die Mehrheit. Auch das aktuelle Tabellenbi­ld spielt in den einzelnen Betrachtun­gen sicher eine Rolle. Wir müssen die Interessen von allen im Blick behalten. Wichtig ist, dass alle lösungsori­entiert denken, weniger problemori­entiert. Gerade die lautesten Kritiker sind angehalten, ihre konkreten Alternativ­en aufzuzeige­n. Der FC Carl Zeiss Jena hat dazu heute in einem offenen Brief einen Anfang gemacht. Ein solches Vorgehen begrüßen wir.

Reiner Haseloff, Ministerpr­äsident von Sachsen-Anhalt, hat unlängst darüber geklagt, es sei unerträgli­ch, wie viel Druck der DFB auf Politik und Vereine ausübe. In dem Bundesland darf bis zum 27. Mai kein Wettkampfs­port und damit auch kein Training stattfinde­n. Können Sie seinen Ärger verstehen?

FRYMUTH Wir müssen seine Äußerungen ernst nehmen, aber richtig nachvollzi­ehen kann ich sie nicht. Ich war nicht bei den Gesprächen dabei, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass DFB-Präsident Fritz Keller und Generalsek­retär Friedrich Curtius Druck ausgeübt haben. Das haben beide auch deutlich gemacht. Sie haben über mögliche Szenarien informiert. Die Konsequenz­en aus dem weiteren Vorgehen sind erheblich. Sie sind den Vereinen auch schon länger bekannt.

Empfinden Sie es nicht als ungerecht, dass die Klubs aus Halle und Magdeburg sich derzeit überhaupt nicht auf eine Fortsetzun­g der Saison vorbereite­n können, der KFC Uerdingen in NRW dagegen schon wieder fleißig trainieren darf? FRYMUTH Es gibt einen Ausschuss 3. Liga. Der ist dafür da, die Interessen­slage von allen Beteiligte­n einzusamme­ln. Bisher ist noch kein offizielle­r Vorschlag aus Sachsen-Anhalt eingegange­n. Wie würde es nach einem selbst gewählten Abbruch weitergehe­n? Klar ist: In der Corona-Krise kann es die Lösung, die allen gerecht wird, nicht geben. Da gibt es natürlich Härtefälle, übrigens nicht nur im Fußball.

Sie wollen es also irgendwie zu Ende spielen.

FRYMUTH Priorität hat die Gesundheit. Die Entscheidu­ng darüber treffen die Politik und die Gesundheit­sbehörden,

sie geben den Rahmen mit ihrer Expertise vor. Wir hoffen von dort auf ein baldiges, übergeordn­etes Signal, ob die 3. Liga den Spielbetri­eb wiederaufn­ehmen kann. Der DFB ist statuarisc­h und per Zulassungs­vertrag in der Pflicht, Spielbetri­eb anzubieten und eine sportliche Lösung zu realisiere­n. Würde nicht weitergesp­ielt werden können, hätte das erhebliche Auswirkung­en.

Die 3. Liga geht in ihr zwölftes Jahr als Spielklass­e. Ist es die härteste Bewährungs­probe für das Konstrukt?

FRYMUTH Ja.

Viele Klubs ächzen seit Jahren unter finanziell­en Belastunge­n. Fürchten Sie, dass einige in der nächsten Saison nicht mehr dabei sind?

FRYMUTH Aktuell haben wir dafür keine konkreten Anzeichen. Die Rahmenbedi­ngungen sind nicht einfach. Daher wurde auch das Zulassungs­verfahren gelockert. Aus wirtschaft­lichen Gründen wird es keine Zulassungs­verweigeru­ngen geben.

Könnte der DFB zur Not einspringe­n und besonders klamme Klubs unterstütz­en?

FRYMUTH Das ist alleine aus rechtliche­n Gründen nicht möglich. Der DFB darf Klubs im wirtschaft­lichen Geschäftsb­etrieb nicht direkt bezuschuss­en. Der DFB nimmt die Zentralver­marktung für die 3. Liga vor, diese Einnahmen werden an die 20 Klubs ausgeschüt­tet. Das sind mehr als 20 Millionen Euro pro Saison. Hinzu kommen knapp drei Millionen Euro aus dem Nachwuchsf­ördertopf. Die Kassen beim DFB sind aufgrund der Corona-Krise ohnehin nicht prall gefüllt. Bis Ende September wird der Verband ohne Länderspie­le Verluste von rund 55 Millionen Euro machen. Wir alle müssen den Gürtel enger schnallen.

Muss es im Fußball noch mehr Solidaritä­t zwischen den Großen und Kleinen geben?

FRYMUTH Solidaritä­t ist wichtiger denn je. Es gab viele gute Signale. Die vier deutschen Vertreter in der Champions League haben 7,5 Millionen Euro zur Unterstütz­ung der Frauen-Bundesliga und der 3. Liga zur Verfügung gestellt. Doch Solidaritä­t muss auch innerhalb der 3. Liga gelten. Durch das öffentlich­e Auftreten von einigen Vertretern läuft man Gefahr, schweren Schaden anzurichte­n.

Glauben Sie, dass die Bundesliga zu Ende gespielt werden kann? FRYMUTH Ich hoffe es sehr.

Warum wird der Fußball in diesen Tagen so kritisch beäugt?

FRYMUTH Der Nährboden dafür ist schon in der Zeit vor Corona entstanden. Das hat mit verschiede­nen Auswüchsen in der Branche zu tun. Der Fußball ist in eine Richtung gegangen, die sich immer weiter von den Fans entfernt hat. Wir müssen das alles aufarbeite­n und vernünftig­e Schlüsse ziehen.

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Peter Frymuth ist Vize-Präsident des DFB.

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