Ein kreativer Blickwechsel
„Wir wollen unser Leben zurück“: So war bei Demos gegen die Corona-Regeln auf Plakaten zu lesen. Ein verständlicher Wunsch. Viele sehnen sich nach dem Leben vor der Corona-Pandemie zurück. Am besten wäre doch, unser stark regulierten Leben stellt sich als riesengroßer Irrtum heraus und wir starten morgen wieder mit der alten Normalität.
Aber dem ist nicht so. Die vor uns liegende Zukunft wird nicht mehr nahtlos an die Zeit vor der Corona Pandemie anknüpfen können. Zuviel hat sich verändert: Da sind die Geschäfte und Restaurants, die öffnen dürfen und dennoch wegen der begrenzten Zahl an Gästen und Kunden ein Minus einfahren. Da sind so viele, die von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sind. Da gibt es die Abiturientin, die ein Auslandsjahr geplant hatte. Da sind die Kinder, denen Home-Schooling nicht gelungen ist und deren schulische Laufbahn in Frage steht. Da ist die Sorge der jüngeren Generation, dass ihnen Entwicklungschancen genommen werden. Zurecht fragen viele besorgt: Und jetzt?
Ich selbst hatte für mich und meine Arbeitsplanung die Einstellung gefunden, dass man derzeit nur auf Sicht fahren kann. Im Nebel ist dies angebracht. Aber im Nebel sieht man nicht, wohin es geht.
Das macht unsicher, führt zu Ängsten und öffnet Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien Tür und Tor. Ich bin dabei, meine Lebenseinstellung zu verändern. Ich möchte auf Dauer nicht nur auf Sicht fahren müssen. Aber woher kommt eine andere Perspektive?
In der Lebenserfahrung, die im Fest Christi Himmelfahrt steckt, deutet sich für mich eine verändernde Blickrichtung an. Da wird im Kern von einem interessanten Blickwechsel ganz am Anfang der Kirchengeschichte erzählt: Als die junge Christenheit wie gebannt zum Himmel emporschaut, da wunderten sich sogar die Engel. Ihre kritische Nachfrage ist kurz und prägnant: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“(Apg 1,11).
Manchmal ist die Blickrichtung zurück in die alte Normalität falsch und man braucht einen Wink des Himmels. Nach Ostern suchten die ersten Christen eine neue Orientierung, wohin die Reise ohne die erlebbare Nähe zu Jesus Christus gehen könnte. Sie geraten in einen immer größeren Abstand zu ihrem Herrn und Meister.
Ihr Blick nach oben findet den nicht, der ihnen so viel an Sicherheit und Perspektive vermittelt hat. Verunsichert sind sie und suchend. Anfällig werden sie für irreführende Nachrichten, Gerüchte und allzu einfache Wahrheiten.
Der Weg der jungen Christenheit ist spannend. Dieser Weg begann mit der Himmelfahrt Christi und der Erfahrung, von nun an auf eigene Füße gestellt zu sein. Der Abstand zu Jesus wurde zur gesunden Distanz und sie konnten Verantwortung übernehmen. Viel haben sie gelernt und um die Begleitung durch den Geist Jesu gebetet - diese ersten Christen.
Geistliche Lernprozesse sind uns Christen seitdem ins Stammbuch geschrieben. Lernend gehen wir unseren Weg: Zum Beispiel in der gut aufgestellten Ökumene hier in Mönchengladbach, die wir so gerne am Himmelfahrtstag in der Stadtmitte gefeiert hätten.
Wir wissen nicht, was diese Corona-Pandemie weltweit mit der Menschheit machen wird. Aber wir wissen, dass das Leben auf unserem Planeten neu gelernt werden will. Dazu braucht es diesen kreativen Blickwechsel samt einer echten Lernbereitschaft.
Viele Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerinnen und Lehrer, die sich zur Zeit an einen veränderten Schulalltag und eine neue Weise des Lernens gewöhnen, machen uns dies vor. Den Lernenden weitet sich der Blick und ihnen wird am Himmelfahrtstag eine geistvolle Begleitung zugesagt: „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“(Mt 28,20).