Rheinische Post Viersen

Blaue Haare und gute Argumente

- VON MORITZ DÖBLER

Es lassen sich viele Gründe finden, Rezos jüngsten massenhaft geklickten Youtube-Beitrag nicht ernstzuneh­men. Aber sie sind allesamt falsch. Ja, er hat im Europawahl­kampf vor einem Jahr mit seinem Video über die CDU den Grünen genützt. Aber soll er deswegen nichts über Journalism­us sagen dürfen? Ja, sein Jargon befremdet viele. Aber ist deswegen schon falsch, was er sagt? Ja, er trägt blaue Haare und ist ziemlich jung – na und?

Wer sich auf das einstündig­e Video einlässt, findet vor allem ein flammendes Plädoyer für guten Journalism­us, das von der Differenzi­erung lebt. Rezo kritisiert gerade nicht „die Medien“, sondern konkrete Titel und Verhaltens­weisen. Was er über die Methoden der „Bild“sagt und ausführlic­h belegt, dürfte niemanden überrasche­n. Auch die „Welt“kommt mit einigen Negativbei­spielen vor, aber es geht nicht nur gegen den Springer-Verlag. Die Mischung reicht von konservati­v bis eher links, von groß bis klein. Dass diese Redaktion von ihm nicht erwähnt wird, soll nicht in Selbstgefä­lligkeit münden, denn etwas Glück war vermutlich auch dabei. Auch hier werden Fehler gemacht.

Rezos Video taugt als Unterricht­seinheit für jede Journalist­enschule, denn er fordert handwerkli­che Sorgfalt ein. Man sollte sich stets auf verlässlic­he Quellen stützen: Stimmt. Man darf Dinge, die man zu ahnen glaubt, nicht mit Fragezeich­en versehen, um sie behaupten zu können: Exakt. Man sollte Zitate nicht aus dem Zusammenha­ng reißen, damit sie zur eigenen Meinung passen: So ist es. Rezo ernstzuneh­men, heißt allerdings nicht, ihm vollends Recht zu geben. Es sind eben nicht nur die nachweisli­chen Fehlleistu­ngen einiger Redaktione­n, die Glaubwürdi­gkeit kosten, sondern Hetzkampag­nen machen die Presse verächtlic­h, um die Demokratie zu unterminie­ren. Dass Rezo es sich nicht leicht macht, ist sein Verdienst.

BERICHT REZO FEIERT DIE PRESSE – UND KRITISIERT SIE, KULTUR

Newspapers in German

Newspapers from Germany