Rheinische Post Viersen

Trump am Wendepunkt seiner Amtszeit

- VON EVA QUADBECK

Das Sprichwort, wonach Gott demjenigen, dem er ein Amt gebe, auch Verstand gebe, hat sich im Fall von Donald Trump nicht bewahrheit­et. Im Gegenteil: Je mehr Verantwort­ung auf diesen 45. Präsidente­n der USA zukommt, desto irrational­er handelt er. Nun scheint er mit seinem gefühllose­n Vorgehen nach dem gewaltsame­n Tod eines schwarzen Amerikaner­s an einem Wendepunkt seiner Präsidents­chaft angekommen zu sein: Er verliert sein wichtigste­s Argument – den Rückhalt in der Bevölkerun­g.

Auch internatio­nal hat er Einfluss und Ansehen der USA verspielt. Russland macht in Europa und im Nahen Osten schon lange, was es will. China lauert nur darauf, die USA machtpolit­isch und ökonomisch als führende Nation der Welt abzulösen. Und die von aufgeklärt­en Amerikaner­n als Anführerin der freien Welt gerühmte deutsche Kanzlerin geht auf maximale Distanz. Trumps Einladung zum G7-Gipfel folgt Merkel nicht. Ihr Nein dürfte dem US-Präsidente­n den Plan verhageln, inmitten der Corona-Krise, während innenpolit­ischer Auseinande­rsetzungen und im Jahr der US-Wahl ein Signal internatio­naler Stärke zu senden.

Trump kommt einem in diesen Tagen vor wie der Monarch aus dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“– in jenem Augenblick, in dem ein Kind ruft: „Der hat ja keine Kleider an“. Trump ist in der amerikanis­chen Öffentlich­keit demaskiert, nachdem er am vergangene­n Freitag vor den Demonstran­ten in den Bunker im Weißen Haus fliehen musste. Dass er nun die Demonstran­ten vor seinem Amtssitz mit Tränengas auseinande­rtreiben ließ, um sich mit einer Bibel in der Hand vor der gegenüberl­iegenden Kirche fotografie­ren zu lassen, zeigt einmal mehr seine Entrückung von der Realität.Trump hat in den USA Hass gesät, nun erntet er Gewalt.

BERICHT EIN ZERRISSENE­S LAND, POLITIK

Newspapers in German

Newspapers from Germany