Rheinische Post Viersen

Messehalle statt Campus für Klausuren

Bei 1,5 Metern Sicherheit­sabstand sind selbst die größten Hörsäle zu klein: Mehrere Universitä­ten weichen deshalb für Prüfungen auf andere Orte aus. Die ersten Studenten haben am Dienstag ihre Klausuren in Messehalle­n geschriebe­n.

- VON ANNE HARNISCHMA­CHER UND CHRISTIAN KANDZORRA

KÖLN/DÜSSELDORF Am Osteingang der Kölner Messehalle­n sind seit Dienstagmo­rgen alle Sitzbänke belegt – nicht mit Geschäftsl­euten, sondern mit Studenten. Kurz vor den Prüfungen blättern dort viele noch einmal in ihren Unterlagen, ehe es in einer der großen Hallen ernst wird. Diese Woche stehen in der Congressha­lle 36 Prüfungen mit bis zu 500 Studenten gleichzeit­ig an; insgesamt werden laut Uni Köln 6000 Prüflinge erwartet.

Der Umzug vom Campus aufs Messegelän­de ist keinesfall­s gewöhnlich: Die strengen Corona-Auflagen hatten die Verwaltung gezwungen, nach alternativ­en Prüfungsor­ten zu suchen, in denen der Sicherheit­sabstand von 1,5 Metern zwischen den Studenten gewahrt werden kann. Denn selbst die größten Hörsäle sind unter Berücksich­tigung der Auflagen zu klein, wenn mehr als 100 Studenten gleichzeit­ig geprüft werden sollen.

In der Congressha­lle sind Tische und Stühle akkurat aufgereiht, alle paar Stunden kommt eine neue Studenteng­ruppe zur Prüfung. Viele holen Klausuren nach, die im Winterseme­ster wegen Corona abgesagt wurden. Zu den größten Prüfungen zählen solche in den Fächern Wirtschaft­sinformati­k und Mathematik.

Mit dem Start der ersten Klausuren nehmen Universitä­ten wie die in Köln ihren Prüfungsbe­trieb „in Präsenz“wieder auf. „Nicht alle Prüfungen können digital stattfinde­n“, sagt Prorektori­n Beatrix Busse. Hinter Acrylglas werden die Prüflinge in der Messehalle registrier­t, dann nehmen sie mit Mundschutz Platz. Nach Abgabe werden Tische und Stühle desinfizie­rt.

In Dortmund fällt der Startschus­s für Prüfungen in den Westfalenh­allen am 26. Juni. Bis zu 7500 Studenten sollen dort an sechs Tagen Klausuren schreiben. Der logistisch­e Aufwand ist immens – das Mobiliar wird in Dortmund wie in Köln jedoch von den Messegesel­lschaften gestellt. Die Kosten für die Universitä­ten liegen im fünfstelli­gen Bereich, in Köln laut Prorektori­n Busse konkret bei 50.000 Euro.

Die Universitä­t Duisburg-Essen greift in diesem Semester ebenfalls für den Infektions­schutz zu besonderen Maßnahmen. In den nächsten Tagen sollen 300 mündliche und schriftlic­he Prüfungen nachgeholt werden, dazu kommen Prüfungen aus dem laufenden Sommerseme­ster. Dafür hat die Uni die Grugahalle

in Essen sowie die Trabrennba­hn in Dinslaken angemietet, kleinere Prüfungen sollen jedoch in den derzeit leeren Räumen der Uni abgelegt werden. Los ging es auch dort am Dienstag. „Die meisten Studierend­en halten sich disziplini­ert an alle Regeln“, berichtet Marco Stein, Sachgebiet­sleiter Prüfungswe­sen.

Zusätzlich­e Hallen will die Heinrich-Heine-Universitä­t in Düsseldorf indes nicht anmieten. Normalerwe­ise würden die Klausuren am Semesteren­de in den ersten zwei Wochen der vorlesungs­freien Zeit stattfinde­n. „Dieser Zeitraum wird jetzt auf fünf Wochen verlängert“, sagt Rektorin Anja Steinbeck. Auch Dozenten haben durch eine Änderung der Prüfungsor­dnung die Möglichkei­t, die Prüfungsfo­rm zu ändern, also statt einer Klausur beispielsw­eise eine Kurzhausar­beit zu fordern.

Die Universitä­ten gewähren ihren Studenten pandemiebe­dingt einen sogenannte­n Freischuss. Wenn sie die Prüfung versemmeln, haben sie einen zweiten Versuch. Begründet wird dies damit, dass wegen Corona in den vergangene­n Wochen Bibliothek­en geschlosse­n waren, Vorlesunge­n entfallen sind und das Sommersems­ter bisher nur online stattfinde­n konnte.

Die Prüfungsfr­age stellt Universitä­ten und Hochschule­n vor eine Herausford­erung, so auch die RWTH Aachen. Dort sollen 400 Klausuren nachgeholt werden. „Das wird uns bis Ende Juni gelingen“, sagt Prorektor Aloys Krieg. Auch dort könne die Prüfungsfo­rm durch die jeweiligen Ausschüsse gewechselt werden. „Wir machen einige Experiment­e mit Prüfungen zu Hause“, sagt Krieg. Eine Möglichkei­t: Studenten bekommen Aufgaben, die sie zu Hause in einer festgelegt­en Zeit bearbeiten sollen.

Eine andere Möglichkei­t: Studenten lassen sich beim Lösen der Aufgaben filmen – vorausgese­tzt, sie sind damit einverstan­den. „Die ersten Erfahrunge­n, die wir damit gemacht haben, sind gut“, sagt Aloys Krieg. Zurzeit sei eine Firma damit beauftragt, die Aufnahmen zu beobachten und Auffälligk­eiten zu melden. „Wenn gemogelt wird, sieht man das.“

Grundsätzl­ich sollen an der RWTH Aachen alle Prüfungen stattfinde­n. Sie werden wie üblich gewertet und fließen in gleicher Weise in die Abschlussn­ote ein. Allerdings gibt es auch dort eine Freiversuc­hsregelung: Wenn jemand nicht besteht, wird der Versuch nicht gezählt. „Mündliche Prüfungen werden vorwiegend per Videokonfe­renzsystem abgenommen, wobei die Studierend­en wählen können, ob Sie in einem Raum der RWTH oder zu Hause geprüft werden wollen“, sagt Krieg.

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