NRW ist Hochburg der Lockdown-Rebellen
Laut Bundesinnenministerium gibt es 29 Untergruppen in Nordrhein-Westfalen.
DÜSSELDORF/BERLIN Nordrhein-Westfalen scheint immer mehr zu einer Hochburg sogenannter Corona-Rebellen zu werden, die gegen Covid-19-Auflagen protestieren. Deren Mitglieder kommunizieren vor allem mithilfe des Messengerdienstes Telegram in nicht öffentlichen Gruppen. Allein in NRW gebe es 29 entsprechende Untergruppen auf Telegram, wie es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei heißt, die unserer Redaktion vorliegt.
Demnach ruft die Gruppierung bundesweit unter anderem zu Demonstrationen und Veranstaltungen gegen Einschränkungen der Grundrechte auf. An den Protesten beteiligen sich auch sogenannte Reichbürger und Selbstverwalter sowie Rechtsextremisten. „Nachdem Rechtsextremisten unterschiedlicher Organisationen und Spektren ihre Demonstrationstätigkeit nach einer Pandemie-bedingten mehrwöchigen Pause wiederaufgenommen haben, rufen mehrere rechtsextremistische Protagonisten nun auch dazu auf, sich an Demonstrationen gegen die Beschränkungsmaßnahmen zu beteiligen“, schreibt das Bundesinnenministerium. In diesem Zusammenhang finden sich fremdenfeindliche Argumentationen wie die Behauptung, „eine jüdische Elite habe die Pandemie bewusst hervorgerufen“.
„Es ist nachvollziehbar, dass Menschen wegen der Corona-Maßnahmen um ihre Grundrechte besorgt sind und auf die Straße gehen. Wir müssen uns aber zusammen dagegen wehren, dass diese Proteste von Rechtsextremen vereinnahmt werden“, sagte der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko. „Dies gilt insbesondere für den Antisemitismus dieser selbsternannten Corona-Rebellen“, so Hunko.
In Nordrhein-Westfalen hat es schon weit mehr als 50 Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen gegeben; allein zu einer Kundgebung
nach Köln kamen mehr als 800 Menschen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte bereits vor zwei Wochen im Innenausschuss des Landtages davor, dass die Proteste gegen die Kontakt-Beschränkungen von Extremisten und Verschwörungstheoretikern unterwandert werden könnten. Der Gründer der „Corona-Rebellen“in NRW soll ein Reichsbürger aus Jüchen sein. Täglich gewinnt die Gruppierung neue Anhänger. Die Ende März gegründete Facebook-Gruppe „Corona-Rebellen“zählt bereits fast 75.000 Mitglieder.
Nach Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums nutzten insbesondere „Reichsbürger“und „Selbstverwalter“die Pandemie zur Vorbereitung von teil swidersprüchlichen Verschwörungstheorien. „Hier versuchen Gruppierungen mit Fehlinformationen und Falschbehauptungen die durch die Corona-Pandemie erzeugte Stimmungslage
in der Bevölkerung für sich zu nutzen“, heißt es in der Antwort. Weiter steht dort: Überwiegend wird die Pandemie als Inszenierung begriffen, mit der weitergehende Ziele verfolgt würden, etwa dahingehend, dass die Bundesregierung nicht im Interesse der ,Deutschen‘ agiere und beabsichtige, die Grundrechte auf Dauer zwecks eines Überwachungsstaates abzuschaffen.“
Der NRW-Verfassungsschutz bewertet die Reichsbürger und Selbstverwalter als Bestrebung mit erheblichem Gefahrenpotenzial, da nicht auszuschließen ist, dass sich Aktionismus und Aggression in der Reichsbürger-Szene weiter verstärken und es zu Radikalisierungseffekten kommt. In NRW gibt es rund 3200 Reichsbürger. Rund 100 werden auch der rechtsextremistischen Szene zugerechnet. Reichsbürger sind laut Verfassungsschutz ein flächendeckendes Phänomen, das grundsätzlich aber stärker in den ländlichen Regionen verbreitet ist. Neben kleinen, sektenartigen Gruppen gibt es demnach auch Einzelpersonen, die nur im Internet aktiv sind.
„Wir müssen uns dagegen wehren, dass diese Proteste von Rechtsextremen vereinnahmt werden“Andrej Hunko
Die Linke