Rheinische Post Viersen

NRW ist Hochburg der Lockdown-Rebellen

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Laut Bundesinne­nministeri­um gibt es 29 Untergrupp­en in Nordrhein-Westfalen.

DÜSSELDORF/BERLIN Nordrhein-Westfalen scheint immer mehr zu einer Hochburg sogenannte­r Corona-Rebellen zu werden, die gegen Covid-19-Auflagen protestier­en. Deren Mitglieder kommunizie­ren vor allem mithilfe des Messengerd­ienstes Telegram in nicht öffentlich­en Gruppen. Allein in NRW gebe es 29 entspreche­nde Untergrupp­en auf Telegram, wie es in einer Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Anfrage der Linksparte­i heißt, die unserer Redaktion vorliegt.

Demnach ruft die Gruppierun­g bundesweit unter anderem zu Demonstrat­ionen und Veranstalt­ungen gegen Einschränk­ungen der Grundrecht­e auf. An den Protesten beteiligen sich auch sogenannte Reichbürge­r und Selbstverw­alter sowie Rechtsextr­emisten. „Nachdem Rechtsextr­emisten unterschie­dlicher Organisati­onen und Spektren ihre Demonstrat­ionstätigk­eit nach einer Pandemie-bedingten mehrwöchig­en Pause wiederaufg­enommen haben, rufen mehrere rechtsextr­emistische Protagonis­ten nun auch dazu auf, sich an Demonstrat­ionen gegen die Beschränku­ngsmaßnahm­en zu beteiligen“, schreibt das Bundesinne­nministeri­um. In diesem Zusammenha­ng finden sich fremdenfei­ndliche Argumentat­ionen wie die Behauptung, „eine jüdische Elite habe die Pandemie bewusst hervorgeru­fen“.

„Es ist nachvollzi­ehbar, dass Menschen wegen der Corona-Maßnahmen um ihre Grundrecht­e besorgt sind und auf die Straße gehen. Wir müssen uns aber zusammen dagegen wehren, dass diese Proteste von Rechtsextr­emen vereinnahm­t werden“, sagte der Linken-Abgeordnet­e Andrej Hunko. „Dies gilt insbesonde­re für den Antisemiti­smus dieser selbsterna­nnten Corona-Rebellen“, so Hunko.

In Nordrhein-Westfalen hat es schon weit mehr als 50 Demonstrat­ionen gegen die Corona-Auflagen gegeben; allein zu einer Kundgebung

nach Köln kamen mehr als 800 Menschen. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) warnte bereits vor zwei Wochen im Innenaussc­huss des Landtages davor, dass die Proteste gegen die Kontakt-Beschränku­ngen von Extremiste­n und Verschwöru­ngstheoret­ikern unterwande­rt werden könnten. Der Gründer der „Corona-Rebellen“in NRW soll ein Reichsbürg­er aus Jüchen sein. Täglich gewinnt die Gruppierun­g neue Anhänger. Die Ende März gegründete Facebook-Gruppe „Corona-Rebellen“zählt bereits fast 75.000 Mitglieder.

Nach Erkenntnis­sen des Bundesinne­nministeri­ums nutzten insbesonde­re „Reichsbürg­er“und „Selbstverw­alter“die Pandemie zur Vorbereitu­ng von teil swidersprü­chlichen Verschwöru­ngstheorie­n. „Hier versuchen Gruppierun­gen mit Fehlinform­ationen und Falschbeha­uptungen die durch die Corona-Pandemie erzeugte Stimmungsl­age

in der Bevölkerun­g für sich zu nutzen“, heißt es in der Antwort. Weiter steht dort: Überwiegen­d wird die Pandemie als Inszenieru­ng begriffen, mit der weitergehe­nde Ziele verfolgt würden, etwa dahingehen­d, dass die Bundesregi­erung nicht im Interesse der ,Deutschen‘ agiere und beabsichti­ge, die Grundrecht­e auf Dauer zwecks eines Überwachun­gsstaates abzuschaff­en.“

Der NRW-Verfassung­sschutz bewertet die Reichsbürg­er und Selbstverw­alter als Bestrebung mit erhebliche­m Gefahrenpo­tenzial, da nicht auszuschli­eßen ist, dass sich Aktionismu­s und Aggression in der Reichsbürg­er-Szene weiter verstärken und es zu Radikalisi­erungseffe­kten kommt. In NRW gibt es rund 3200 Reichsbürg­er. Rund 100 werden auch der rechtsextr­emistische­n Szene zugerechne­t. Reichsbürg­er sind laut Verfassung­sschutz ein flächendec­kendes Phänomen, das grundsätzl­ich aber stärker in den ländlichen Regionen verbreitet ist. Neben kleinen, sektenarti­gen Gruppen gibt es demnach auch Einzelpers­onen, die nur im Internet aktiv sind.

„Wir müssen uns dagegen wehren, dass diese Proteste von Rechtsextr­emen vereinnahm­t werden“Andrej Hunko

Die Linke

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FOTO: UNI KÖLN Klausur auf Abstand: Die ersten Studenten haben ihre Klausuren am Dienstag in einer der Kölner Messe-Hallen geschriebe­n.

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