Rheinische Post Viersen

Neue Gefahren für die Freiheitsr­echte

- VON GREGOR MAYNTZ

Bürgerrech­tsorganisa­tionen stellen den diesjährig­en Grundrecht­e-Report vor.

BERLIN Die Corona-Krise hat eine neue Art der Gefährdung der Grundrecht­e sichtbar gemacht: deren Vereinnahm­ung durch Extremiste­n. Darauf hat der renommiert­e und auch politisch engagierte Pianist Igor Levit aufmerksam gemacht, als er am Dienstag in Berlin die 24. Ausgabe des Grundrecht­e-Reports von Bürger- und Menschenre­chtsorgani­sationen vorstellte. Es habe in der Corona-Krise sicherlich Einschränk­ungen von Grundrecht­en gegeben; dieses Vorgehen sei jedoch transparen­t begründet worden. Im Gegensatz dazu missbrauch­ten viele, die selbst die Grundrecht­e mit Füßen träten, die Corona-Krise für ihre

Zwecke. Es sei „gefährlich“, so Levit, wenn Neofaschis­ten sich gesellscha­ftlich berechtigt sähen, Grundrecht­e zu interpreti­eren.

Levit schlug einen Bogen von dem Report, der auf Untersuchu­ngen und Betrachtun­gen von Beispielen für Grundrecht­sverletzun­gen im Jahr 2019 beruht, zu der aktuellen Situation. Selten zuvor war das Bewusstsei­n für die Bedrohung von Freiheitsr­echten so stark entwickelt wie in den Monaten der coronabedi­ngten Kontakt-, Berufs-, Reise-, Schul- und Freizeitbe­schränkung­en. Für Levit bleibt es schwer erträglich, dass viele diese Einschränk­ungen lediglich als „ärgerliche Unterbrech­ung ihres Jetset-Lebens“empfunden hätten. Die Corona-Krise

habe sich etwa für viele Mieter dagegen auch als Gerechtigk­eits-Krise dargestell­t.

Einen Schwerpunk­t legten die Herausgebe­r des aktuellen Reports auf das Thema Wohnen. Auf der einen Seite kritisiere­n die Autoren, dass das Recht auf die Unverletzl­ichkeit der Wohnung offenbar für viele Migranten nicht mehr gelten soll. Auf der anderen Seite betrachtet der Report den noch nie angewendet­en Artikel 15 des Grundgeset­zes, der die Vergemeins­chaftung von Grund und Boden regelt. Er bildet den Hintergrun­d für eine Bürgerinit­iative, die in Berlin ein Wohnungsun­ternehmen enteignen will. Für sie sprach die Mieterin, Rentnerin und Aktivistin Ingrid Hoffmann bei der Präsentati­on der Studie ihr Bedauern aus, dass die rechtliche Zulässigke­it des Vorstoßes nun schon seit vielen Monaten vom Senat geprüft werde.

Der 233 Seiten umfassende Report wird auch als „alternativ­er Verfassung­sschutzber­icht“bezeichnet. Er stellt Originalvo­rgaben des Grundgeset­zes deren bedenklich­er und häufig auch beschämend­er Umsetzung durch Behörden und staatliche Institutio­nen gegenüber. So betrachten die Autoren das Grundrecht auf Leben und körperlich­e Unversehrt­heit im Zusammenha­ng mit der Seenotrett­ung, der Behandlung in der Psychiatri­e, den Taserwaffe­n bei der Polizei und den Einsätzen von Kampfdrohn­en im Jemen.

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