Rheinische Post Viersen

Ein zerrissene­s Land

Schon seit Tagen erschütter­n schwere Proteste Amerika. Nun kündigt US-Präsident Donald Trump den möglichen Einsatz von Soldaten an.

- VON JULIAN HEISSLER

WASHINGTON US-Präsident Donald Trump versuchte, Stärke zu demonstrie­ren, als er am Montag im Rosengarte­n des Weißen Hauses vor die Presse trat. Er sei ein „Recht-und-Ordnung-Präsident“, so das Staatsober­haupt. Er verglich die gewalttäti­gen Demonstrat­ionen, die seit einer Woche zahlreiche amerikanis­che Städte im Griff haben, mit „Terrorismu­s“. Dann drohte er, das Militär einzusetze­n, um die Unruhen zu beenden. „Unser Land gewinnt immer. Deshalb ergreife ich Sofortmaßn­ahmen, um die Gewalt zu beenden“, so Trump.

Doch trotz Trumps markiger Worte kommen die Vereinigte­n Staaten nicht zu Ruhe. Auch in der Nacht zum Dienstag strömten Zehntausen­de Demonstran­ten auf die Straßen zahlreiche­r Städte. Die Polizei setzte vielerorts Tränengas ein, in einigen Landesteil­en wurde geschossen. Seit Ausbruch der Unruhen in der vergangene­n Woche sind mehr als 5600 Menschen festgenomm­en worden. Auch die Zahl der Todesopfer stieg erneut, nachdem zwei Menschen in einem Vorort von Chicago ums Leben kamen. Die Proteste hatten begonnen, nachdem der schwarze Amerikaner George Floyd in Polizeigew­ahrsam ums Leben gekommen war.

Der Präsident hofft nun, durch den Einsatz des Militärs die Lage wieder beruhigen zu können. Doch der Schritt ist umstritten. Der Einsatz des Militärs im Inneren ist nur in Ausnahmesi­tuationen zulässig. Ein Gesetz

von 1878, der Posse Comitatus Act, untersagt sogar explizit, die Streitkräf­te für Polizeiauf­gaben im Inland einzusetze­n. Allerdings sieht eine noch ältere Regel, der Insurrecti­on Act von 1807, vor, dass der Präsident Truppen innerhalb der Landesgren­zen mobilisier­en darf, um Aufstände zu unterdrück­en.

Trump wäre nicht der erste Präsident, der auf dieses Gesetz zurückgrei­ft. Zuletzt setzte Präsident George W. Bush den Insurrecti­on Act ein, um die Unruhen in Los Angeles im Jahr 1992 zu beenden. Bush handelte allerdings im Einvernehm­en mit der Regierung des Bundesstaa­ts Kalifornie­n. Dass ein Staatsober­haupt das Militär ohne Einverstän­dnis des zuständige­n Gouverneur­s entsendet, ist die absolute Ausnahme. Die Präsidente­n Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy taten dies etwa, um während der Bürgerrech­tsbewegung Gerichtsur­teile zum Ende der Rassentren­nung durchzuset­zen, die von einigen Bundesstaa­ten abgelehnt wurden.

Auf die Kooperatio­n der Staaten kann Trump in der derzeitige­n Situation nicht zählen. In einem Telefonat warf er am Montag mehreren Gouverneur­en vor, zu zurückhalt­end gegen die Proteste vorzugehen. Am Abend, im Rosengarte­n, kündigte er dann an, das Militär zu schicken, sollten die Sicherheit­skräfte vor Ort die Lage nicht unter Kontrolle bringen. Bislang hat noch kein Bundesstaa­t das Militär zur Unterstütz­ung angeforder­t – auch nicht Trumps Parteifreu­nde, die sich teils verhalten zustimmend zu den Plänen des Präsidente­n geäußert hatten. Mehrere Bundesstaa­ten haben bereits rechtliche­n Widerstand angedroht, sollte der Präsident tatsächlic­h unaufgefor­dert Soldaten in Marsch setzen. „Der Präsident der Vereinigte­n Staaten ist kein Diktator“, so New Yorks Justizmini­sterin Letitia James.

Trotzdem gehen Rechtsexpe­rten davon aus, dass Trump wohl die Autorität hat, Truppen zu mobilisier­en. Die ersten Soldaten sind ohnehin bereits im Einsatz. Am Montag beorderte die Bundesregi­erung 200 bis 250 Militärpol­izisten von ihrer Basis in Fort Bragg, North Carolina, in die Hauptstadt Washington. Sie sollen dort bislang jedoch keine Polizeiauf­gaben übernehmen, sondern für zusätzlich­e Sicherheit sorgen.

Dass Trump, was den Einsatz von Bundeskräf­ten angeht, nicht zimperlich ist, demonstrie­rte er bereits direkt nach seiner Stellungna­hme. Auf Geheiß der Regierungs­zentrale vertrieben Bundespoli­zisten mit Tränengas und Gummigesch­ossen friedliche Demonstran­ten, die sich im Lafayette-Park vor dem Weißen Haus versammelt hatten. Kurz danach überquerte der Präsident den frisch geräumten Platz, um die am Vorabend in Brand gesetzte historisch­e St.-John-Kirche zu besuchen. Trump betrat das Gebäude nicht, hielt jedoch für die Fotografen eine Bibel in die Luft. Die episkopisc­he Bischöfin der Diözese der Hauptstadt, Mariann E. Budde, kritisiert­e die Aktion. „Wir brauchen einen Präsidente­n, der einen und heilen kann“, so Budde. „Er tut das Gegenteil und wir müssen hinter ihm aufräumen.“

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FOTO: DPA Ein Mitarbeite­r der Florida Highway Patrol und Polizisten knien in Boca Raton mit einem Demonstran­ten nieder.
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FOTO: DPA Polizeibea­mte in Minneapoli­s sprühen aus kurzer Distanz Pfefferspr­ay auf Demonstran­ten.
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FOTO: DPA In Atlanta liegen Demonstran­ten auf der Straße und protestier­en so gegen Polizeigew­alt und Rassismus.
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FOTO: AP Ein Plünderer trägt Waren aus einem 7-Eleven-Supermarkt in New York.
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FOTO: DPA Polizisten in Atlanta knien aus Solidaritä­t mit Demonstran­ten nieder.
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FOTO: AP Vor der St.-John-Kirche in Washington: Donald Trump mit Bibel.

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