Rheinische Post Viersen

Frank Sinatra lehrt die Lässigkeit

Das vielleicht schönste Album von Frankie-Boy: Zum 60. Geburtstag wird der Klassiker „Nice ‘n‘ Easy“mit Bonusmater­ial neu aufgelegt.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

LOS ANGELES Diese Platte hört man und denkt, dass es doch ganz schön wäre, häufiger mal auf die großflächi­ge Terrasse eines tollen Hauses zu treten und hinunter in die Hollywood Hills zu blicken. Man würde dann vor sich hinsummen; „I’ve Got A Crush On You“zum Beispiel, die alte Gershwin-Nummer. Man würde den Sonnenunte­rgang mit einem Whisky-Glas begrüßen und dazu „Cheers“murmeln. Und die einzige Sorge, die man in diesem Moment hätte, wäre diese: Wie soll ich mit den Fingern im Takt schnippen, wenn die eine Hand den Drink hält und die andere gerade so bequem und elegant in der Hosentasch­e steckt?

Das Album klingt so schön wie ein „summer with 1000 julys“

„Nice ‘n’ Easy“heißt dieses Album, es wird nun 60 Jahre alt, und aufgenomme­n hat es natürlich Frank Sinatra. Es ist eines seiner schönsten, weil es mit Ausnahme des Titelstück­s ausschließ­lich aus Balladen besteht, und zwar aus solchen, die sehr würdevoll, aber immer leicht beschwipst im Raum stehen. Alles ist „laid back“, wie die Amerikaner sagen, es gibt nicht diese mitunter anstrengen­den Big-Band-Arrangemen­ts, in denen die Bläser den Hörer aus seinem Sommersonn­entraum reißen. Um es mit dem in Schmeichel­laune auftrumpfe­nden Sinatra zu sagen: Die Platte ist so schön wie ein „summer with 1000 julys“.

Sinatra war auf dem Höhepunkt, als er die Songs in den Capitol-Studios

aufnahm. Er bekam 200.000 Dollar Gage pro Film, was für damalige Verhältnis­se exorbitant viel war. Er drehte „Ocean’s Eleven“mit seinen Buddies Dean Martin und Sammy Davis Jr. Er war geschieden von Ava Gardner, hatte die Verlobung mit Lauren Bacall gelöst und war frisch verliebt in die Tänzerin und Schauspiel­erin Juliet Prowse. Er legte all seine Koketterie in die Songs, dieses große amerikanis­che Entertainm­ent: die augenzwink­ernde Einsamkeit und Verlorenhe­it desjenigen, der nur hadert, weil es halt zum Spiel gehört, der sich seiner Sache aber in Wahrheit sehr sicher ist.

Fast alle Lieder sind Standards, die Sinatra aber anders akzentuier­te als gewohnt, in ihrer Färbung leicht variierte. Alles sollte im besten Sinne süßlich sein, „in a sentimenta­l mood“sozusagen, und gesungen von einem „big and handsome Romeo“. Der einzige wirklich neue Song war das Titelstück, und das hatte Sinatra ursprüngli­ch gar nicht gemocht. Der Komponist Lew Spence, der das Lied mitgeschri­eben hatte, erzählte mal, wie Sinatra abgewinkt habe, als es ihm präsentier­t worden sei. Spence gab nicht auf und spielte die Melodie immer dann „rein zufällig“, wenn Sinatra von den Dreharbeit­en zu „Ocean’s Eleven“in die Lobby des Sands-Hotel in Las Vegas kam. Irgendwann fragte Sinatra: „Was ist das für ein hübsches Stück?“

Marilyn und Alan Bergman lieferten für das Stück den Text, jenes legendäre Songwriter-Ehepaar, das damals frisch dabei war und später drei Oscars gewann für die Songs zu „Thomas Crown ist nicht zu fassen“, „So wie wir waren“und „Yentl“. Sinatra erteilte ihnen den Ritterschl­ag: Er lud sie zur Aufnahmese­ssion in die Capitol-Studios ein. Dort versammelt­en sich stets

um die 20 Freunde und Vertraute, um Sinatra zuzuhören; er brauchte das Publikum – auch im Studio. Zwölf Takes benötigte er, um „Nice ‘n’ Easy“einzusinge­n. Zufrieden war er erst, als er das Fingerschn­ippen hinzugefüg­t hatte. So zufrieden, dass er das Album, das ursprüngli­ch „The Nearness Of You“heißen sollte, nun nach diesem Lied betitelte.

Eingericht­et wurden die Lieder von Nelson Riddle, der zuvor Stücke etwa von Nat King Cole arrangiert hatte, darunter das berühmte „Mona Lisa“. Später lieferte er die Filmmusik für „Der große Gatsby“mit Robert Redford. Sinatra klingt auf „Nice ‘n’ Easy“cool wie ein schmelzend­er Eiswürfel im Whisky-Glas. Auf dem Cover lehnt er sich lässig zurück, er legt die Füße hoch und trägt Strickjack­e, und dazu passt, dass im Begleittex­t zur Platte steht, „Nice ‘n‘ Easy“stehe nicht bloß für einen Song. Sondern für eine „attitude of mind“, für eine Geisteshal­tung.

„We’re on a road to romance“, sang Sinatra. 1960 war das. Neun Wochen stand die Platte auf Platz eins der amerikanis­chen Charts. Danach wurde Kennedy zum Präsidente­n gewählt. Lange her, weit weg.

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FOTO: IMAGO IMAGES Auf dem Höhepunkt des Ruhms: Frank Sinatra 1960 am Set von „Ocean’s Eleven“.

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