Frank Sinatra lehrt die Lässigkeit
Das vielleicht schönste Album von Frankie-Boy: Zum 60. Geburtstag wird der Klassiker „Nice ‘n‘ Easy“mit Bonusmaterial neu aufgelegt.
LOS ANGELES Diese Platte hört man und denkt, dass es doch ganz schön wäre, häufiger mal auf die großflächige Terrasse eines tollen Hauses zu treten und hinunter in die Hollywood Hills zu blicken. Man würde dann vor sich hinsummen; „I’ve Got A Crush On You“zum Beispiel, die alte Gershwin-Nummer. Man würde den Sonnenuntergang mit einem Whisky-Glas begrüßen und dazu „Cheers“murmeln. Und die einzige Sorge, die man in diesem Moment hätte, wäre diese: Wie soll ich mit den Fingern im Takt schnippen, wenn die eine Hand den Drink hält und die andere gerade so bequem und elegant in der Hosentasche steckt?
Das Album klingt so schön wie ein „summer with 1000 julys“
„Nice ‘n’ Easy“heißt dieses Album, es wird nun 60 Jahre alt, und aufgenommen hat es natürlich Frank Sinatra. Es ist eines seiner schönsten, weil es mit Ausnahme des Titelstücks ausschließlich aus Balladen besteht, und zwar aus solchen, die sehr würdevoll, aber immer leicht beschwipst im Raum stehen. Alles ist „laid back“, wie die Amerikaner sagen, es gibt nicht diese mitunter anstrengenden Big-Band-Arrangements, in denen die Bläser den Hörer aus seinem Sommersonnentraum reißen. Um es mit dem in Schmeichellaune auftrumpfenden Sinatra zu sagen: Die Platte ist so schön wie ein „summer with 1000 julys“.
Sinatra war auf dem Höhepunkt, als er die Songs in den Capitol-Studios
aufnahm. Er bekam 200.000 Dollar Gage pro Film, was für damalige Verhältnisse exorbitant viel war. Er drehte „Ocean’s Eleven“mit seinen Buddies Dean Martin und Sammy Davis Jr. Er war geschieden von Ava Gardner, hatte die Verlobung mit Lauren Bacall gelöst und war frisch verliebt in die Tänzerin und Schauspielerin Juliet Prowse. Er legte all seine Koketterie in die Songs, dieses große amerikanische Entertainment: die augenzwinkernde Einsamkeit und Verlorenheit desjenigen, der nur hadert, weil es halt zum Spiel gehört, der sich seiner Sache aber in Wahrheit sehr sicher ist.
Fast alle Lieder sind Standards, die Sinatra aber anders akzentuierte als gewohnt, in ihrer Färbung leicht variierte. Alles sollte im besten Sinne süßlich sein, „in a sentimental mood“sozusagen, und gesungen von einem „big and handsome Romeo“. Der einzige wirklich neue Song war das Titelstück, und das hatte Sinatra ursprünglich gar nicht gemocht. Der Komponist Lew Spence, der das Lied mitgeschrieben hatte, erzählte mal, wie Sinatra abgewinkt habe, als es ihm präsentiert worden sei. Spence gab nicht auf und spielte die Melodie immer dann „rein zufällig“, wenn Sinatra von den Dreharbeiten zu „Ocean’s Eleven“in die Lobby des Sands-Hotel in Las Vegas kam. Irgendwann fragte Sinatra: „Was ist das für ein hübsches Stück?“
Marilyn und Alan Bergman lieferten für das Stück den Text, jenes legendäre Songwriter-Ehepaar, das damals frisch dabei war und später drei Oscars gewann für die Songs zu „Thomas Crown ist nicht zu fassen“, „So wie wir waren“und „Yentl“. Sinatra erteilte ihnen den Ritterschlag: Er lud sie zur Aufnahmesession in die Capitol-Studios ein. Dort versammelten sich stets
um die 20 Freunde und Vertraute, um Sinatra zuzuhören; er brauchte das Publikum – auch im Studio. Zwölf Takes benötigte er, um „Nice ‘n’ Easy“einzusingen. Zufrieden war er erst, als er das Fingerschnippen hinzugefügt hatte. So zufrieden, dass er das Album, das ursprünglich „The Nearness Of You“heißen sollte, nun nach diesem Lied betitelte.
Eingerichtet wurden die Lieder von Nelson Riddle, der zuvor Stücke etwa von Nat King Cole arrangiert hatte, darunter das berühmte „Mona Lisa“. Später lieferte er die Filmmusik für „Der große Gatsby“mit Robert Redford. Sinatra klingt auf „Nice ‘n’ Easy“cool wie ein schmelzender Eiswürfel im Whisky-Glas. Auf dem Cover lehnt er sich lässig zurück, er legt die Füße hoch und trägt Strickjacke, und dazu passt, dass im Begleittext zur Platte steht, „Nice ‘n‘ Easy“stehe nicht bloß für einen Song. Sondern für eine „attitude of mind“, für eine Geisteshaltung.
„We’re on a road to romance“, sang Sinatra. 1960 war das. Neun Wochen stand die Platte auf Platz eins der amerikanischen Charts. Danach wurde Kennedy zum Präsidenten gewählt. Lange her, weit weg.