Rheinische Post Viersen

Streit um Sexismus im „Donaulied“

Eine Petition will das alte Volkslied aus den Passauer Kneipen verbannen. Die Initiative einer Studentin hat bundesweit­es Interesse ausgelöst. Sie findet viele Fürspreche­r, es gibt aber auch einige kritische Stimmen.

- VON CARSTEN PFARR

PASSAU Ein Volkslied sorgt aktuell für eine heftige Debatte. Begründet ist sie in einer Online-Petition, die sich an die Stadt Passau wendet. Eine Studentin hat die Petition gestartet und verlangt darin, das „Donaulied“in den örtlichen Kneipen und Bierzelten zu verbieten. Die Anzahl der Unterschri­ften stieg zuletzt rapide an. Dienstagna­chmittag unterstütz­ten bereits über 24.000 Personen die Petition.

Das „Donaulied“existiert in verschiede­nen Versionen, die eine ähnliche Geschichte erzählen. Darin findet ein Mann eine entblößte Frau am Stand der Donau und vollzieht mit ihr den Beischlaf. Danach geht der Mann weiter, lässt die werdende Mutter allein und zieht eine Moral. Doch welche Moral das ist und ob der Akt einvernehm­lich waren, sind je nach Version unterschie­dlich.

So singt Mickie Krause in einer 2012 veröffentl­ichten Version des „Donauliede­s“etwa: „Da wachte sie und sie sagte: ‚Komm her.‘“Diese Fassung ist jedoch verharmlos­t. In einer volkstümli­chen Version – vermutlich aus Zeiten des Ersten Weltkriege­s – heißt es nämlich: „Ich machte mich über die Schlafende her.“Diese Version des Volksliede­s vermittle „ein Weltbild, welches sexuelle Gewaltfant­asien gegen Frauen normalisie­rt und verherrlic­ht“, steht in der Petiton. Das Lied sei „eine Form sexueller Gewalt“. Deshalb fordert die „Aktion gegen Bierzelt-Sexismus“um die Petitionss­tellerin das Verbot des Donauliede­s in den Passauer Kneipen. Doch mehr noch: Die Petition wolle zugleich einen Denkanstoß zu jeglicher Form von Sexismus anregen.

Das ist gelungen, denn das „Donaulied“sorgt für eine Debatte im Internet – und wird dabei überwiegen­d positiv bedacht. Größter Kritikpunk­t ist allerdings, dass sich in der Petition nicht mit den verschiede­nen Fassungen des Liedes beschäftig­t wird, die verschiede­ne Versionen der Geschichte erzählen. Darauf wurde mittlerwei­le reagiert und die Petition erweitert (siehe Infokasten). Weiter wird kritisiert, dass das Singen eines solchen Textes nicht zu vergleichb­aren Taten anstachele. Auch wird die Petitionss­tellerin angefeinde­t. Ein Kritiker schreibt, sie solle ihre „Corona-Freizeit zukünftig sinnvoll nutzen und sich nicht unnötige Gedanken über Dinge machen, die sicher jahrzehnte­lang keinen gestört haben“. Sogar eine Petition für das „Donaulied“ist erstellt worden.

Befürworte­r der Petition hingegen nennen das Lied „sexistisch­er Mist“, der nichts mit Humor zu tun habe und in Festzelten völlig fehl am Platz sei. Der Text sei „widerlich“, „ekelhaft“

und „frauenfein­dlich“. Lieder wie diese mit „Brauchtum“zu legitimier­en, sei nicht richtig. Vielmehr sei es erschrecke­nd, dass das Lied schon so lange gesungen werde und ein Verbot überfällig. Michael Fischer, dem Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Universitä­t Freiburg, sagte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: Das Lied sei aus heutiger Sicht „unerträgli­ch, nicht nur aus der Perspektiv­e von Frauen, sondern auch aus der Perspektiv­e der Männer, die als Vergewalti­ger dargestell­t werden“.

Die Passauer Studentin hat das Lied nach eigenen Angaben schon länger im Blick. Als die Moderatore­n Joachim „Jok“Wintersche­idt und Klaas Heufer-Umlauf mit „Männerwelt­en“das Thema „Sexuelle Belästigun­g von Frauen“in den Fokus rückten, entschied sie sich für die Petition gegen das „Donaulied“.

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