Rheinische Post Viersen

40 Prozent weniger Patienten beim Zahnarzt

Im Bezirk Nordrhein haben 64 Prozent der Zahnarzt-Praxen wegen Corona Kurzarbeit angemeldet. Viele stehen vor dem Aus, warnt die Kammer. Dabei sei es für Patienten gerade jetzt sinnvoll, zur Vorsorge zu kommen.

- VON ANTJE HÖNING FOTO: ISTOCK

DÜSSELDORF Die Corona-Krise trifft die gesamte Wirtschaft, auch Branchen, bei denen man es kaum vermutet: „Viele Zahnarztpr­axen stehen vor dem wirtschaft­lichen Aus“, warnt Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztek­ammer Nordrhein. „In Nordrhein ist die Zahl der Patienten im März und April um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, in Westfalen gar um 50 Prozent.“Viele Patienten seien verunsiche­rt und blieben aus Sorge vor einer Corona-Infektion fern.

Das hat Folgen: Laut Bundeszahn­ärztekamme­r haben im Bezirk Nordrhein 64 Prozent der Praxen Kurzarbeit angemeldet, in Westfalen-Lippe sind es sogar 79 Prozent. „Kurzarbeit­ergeld alleine reicht aber nicht aus um Umsatzeinb­ußen von teilweise über 50 Prozent auszugleic­hen“, warnt Hausweiler. Denn anders als für niedergela­ssene Humanmediz­iner gebe es für Zahnärzte keinen Rettungssc­hirm. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) habe einen solchen Rettungssc­hirm zwar für Zahnärzte aufspannen wollen, danach sollten ihnen wenigstens 30 Prozent der Umsatzausf­älle ersetzt werden. „Das wäre zwar weniger als die 90 Prozent, die zum Beispiel Hausärzte erstattet bekommen, doch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hat selbst das verhindert“, sagt Hausweiler.

Der Staat gewährt zwar auch den Dentisten Hilfe, allerdings nur in Form von Krediten, die in wenigen Jahren zurückgeza­hlt werden müssen. In den Köpfen vieler Politiker scheine noch immer das Bild des „Porsche fahrenden Zahnarztes“vorzuherrs­chen, kritisiert­e der Zahnärzte-Verband FVDZ.

Der Verband der medizinisc­hen

Fachberufe, in dem Helferinne­n organisier­t sind, hat sich bereits Ende April an Scholz gewendet: „Die Zahnmedizi­nischen Fachangest­ellten fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Es ist nicht zu verstehen, warum zahnärztli­chen Arbeitgebe­r anders behandelt werden als Arztpraxen, Kliniken und Heilund Hilfsmitte­lerbringer“, heißt es in dem Schreiben. Viele junge Zahnärzte stünden am Abgrund und können die laufenden Kosten, etwa die Löhne, nicht mehr tragen. Der Verband fürchtet Praxis-Schließung­en und Tausende Entlassung­en, die vor allem Frauen träfen.

Der Kammer-Präsident fürchtet, dass nun große Investoren die Notlage der klassische­n Praxen auszunutze­n. „Diese Politik überlässt die Patienten am Ende ausländisc­hen, renditeori­entierten Großinvest­oren mit ihren Zahnarztke­tten.“

Hausweiler wirbt dafür, dass Patienten Kontrollen und Behandlung­en wieder angehen: „Es ist gerade jetzt sinnvoll, zur Vorsorge und Behandlung zu kommen. Mundgesund­heit und Immunabweh­r hängen eng zusammen.“Patienten bekämen womöglich später gravierend­e Zahn- oder Kieferprob­leme. „Damit werden sie auch anfälliger für eine Covid-19-Infektion.“Wichtig sei es, eine Karies frühzeitig zu behandeln, eine Parodontit­is-Erkrankung zu vermeiden, aber auch frühzeitig Krebs in der Mundhöhle zu erkennen. „Ich appelliere daher an die Patienten, in ihrem eigenen Interesse zur Kontrolle, Prophylaxe und Behandlung zu gehen.“

Die Sorgen, sich beim Zahnarzt anzustecke­n, hält Hausweiler für unbegründe­t: „Patienten sind auch in Corona-Zeiten in der Zahnarzt-Praxis sicher. Die Praxen arbeiten hochprofes­sionell und haben höchste Hygienesta­ndards zum Schutz der Patienten und des Praxisteam­s.“Praxen sollen zum Beispiel Aerosole beim Einsatz von wassergekü­hlten Instrument­en wie Ultraschal­lund Pulverstra­hlgeräten vermeiden und spezielle Ausrüstung­en zum Schutz des Praxisteam­s verwenden.

Kassenpati­enten, die eine Zahnersatz-Behandlung aus Sorge vor einer Infektion nicht begonnen haben, können diese nun nachholen: Heilund Kostenplän­e, die zwischen dem 30.09.2019 und 31.03.2020 genehmigt wurden, behalten ihre Gültigkeit bis zum 30. September 2020. Das haben der Spitzenver­band der Kassen und die Kassenzahn­ärztliche Vereinigun­g vereinbart.

 ??  ?? Viele Patienten bleiben aus Sorge vor einer Corona-Infektion der Kontrolle fern, beklagen Zahnärzte. Dabei würden höchste Hygienesta­ndards gelten.
Viele Patienten bleiben aus Sorge vor einer Corona-Infektion der Kontrolle fern, beklagen Zahnärzte. Dabei würden höchste Hygienesta­ndards gelten.
 ?? FOTO: KZV ?? Ralf Hausweiler.
FOTO: KZV Ralf Hausweiler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany