Rheinische Post Viersen

Roses Königsklas­sen-Versicheru­ng

Marcus Thuram und Alassane Plea haben jetzt eine zweistelli­ge Torbilanz. Die Franzosen haben seit dem Restart sechs der acht Gladbacher Tore erzielt. Ihre Produktivi­tät ist wichtig im Rennen um die Champions League.

- VON KARSTEN KELLERMANN KARSTEN KELLERMANN

Marco Rose ist keiner, der sich mit Etappenzie­len zufrieden gibt. Borussia fehlt nur noch ein Punkt, um nächste Saison definitiv mindestens in der Europa League zu spielen. Doch Rose will mehr: „Wir müssen weiter Spiele gewinnen, um das ganz große Ziel zu erreichen“, sagte der Trainer nach dem 4:1 gegen Union Berlin. Er meint die Champions League.

Seine Mannschaft hat das Zeug dazu. Sie spielt die beste Borussen-Saison seit 36 Jahren. Gladbach hat nach 29 Spielen 56 Punkte beisammen, besser war die Bilanz fünf Spiele vor Schluss zuletzt in der Spielzeit 1983/84 mit umgerechne­t 57 Punkten. Auch damals war das Team von Jupp Heynckes Vierter zu diesem Zeitpunkt, vier Siege kamen noch dazu, Borussia wurde Dritter. Ein Abschluss, mit dem auch Rose gut leben könnte in seiner ersten Saison. Denn das würde heißen: Borussia wäre in der Königsklas­se. Die ist ab Rang vier sicher.

Was dafür nötig ist: Tore. Denn Spiele gewinnt nur, wer auch trifft, dass ist die simpelste Logik des Fußballs. Derzeit ist Borussia Vierter, weil sie eine bessere Torbilanz hat als Bayer Leverkusen. Und die hat sie, weil Marcus Thuram und Alassane Plea seit dem Restart der Bundesliga so richtig in Tor- und Vorlagenla­une sind. Allein am Sonntag gegen Union Berlin waren zwei der vier Tore eine Gemeinscha­ftsprodukt­ion, weil Plea Thuram das 2:0 und das 3:1 auflegte, hinzu kam das 4:1, das Plea noch oben drauf erzielte.

Damit haben beide eine Gesamt-Saisonbila­nz von zehn Treffern. Plea ist zudem mit elf Toren der beste Vorbereite­r seines Team, Thuram ist die Nummer zwei mit acht Assists. Der Sohn des Weltmeiste­rs von 1998, Lilian Thuram, ist allerdings Borussias Mann der Geisterspi­el-Phase. Vier Tore erzielte er in den vier Geisterspi­elen, nur in Bremen blieb er torlos. Plea hat zwei Tore erzielt.

So gehen sechs der acht Tore auf das Konto der beiden Franzosen, sie sind damit Borussias Königsklas­sen-Versicheru­ng. Denn ohne die Treffer der beiden Herren hätte es in Frankfurt und gegen Union Berlin nur jeweils einen Punkt und nicht drei Punkte gegeben. Dass beide neben Torwart Yann Sommer zur Wahl zum Spieler des Monats stehen bei Borussia, erscheint da nur logisch.

Die Art und Weise, wie Plea das vierte Tor gegen die Berliner erzielte – mit feiner Technik und beachtlich­er Präzision verwertete er die Flanke von Ramy Bensebaini – zeigt, dass er den verblüffen­den Torinstink­t, der seine Trainer so an ihm fasziniert, anders als in der vergangene­n Saison in der Rückrunde nicht verloren hat. Damals erzielte er in seiner ersten Halbserie als Borusse neun Tore und in der Rückrunde nur noch drei. In dieser Saison hat er jetzt schon ebenso viele Tore erzielt wie in der Hinrunde (je fünf ). Plea ist voll fokussiert auf Tore.

Wie Thuram. Der lange Kerl, der im Sommer 2019 von EA Guingamp gekommen ist, hatte lange kein eigenes Erfolgserl­ebnis. Dann erzielte er in Frankfurt das 2.0, das war offenbar wie ein Dammbruch für ihn: Die Torjäger-Qualitäten, die er in der Hinrunde schon gezeigt hat, sind wieder voll da. Dass Thuram viel Freude an seinem Job hat, hat wohl auch mit seinem Empfinden zu tun. Als er am Sonntag gegen Union auf den Platz kam, war er sichtlich gut gelaunt. Und genau das merkte man seinem Spiel an: Er lebte seine Spielfreud­e freimütig aus.

Dass in beiden Fällen die fleißige Torprodukt­ion der Franzosen nicht unbemerkt bleibt, bedarf keiner besonderen Expertise. Plea wie Thuram sind sicherlich nicht nur bei englischen Top-Klubs ein Thema.

Und derzeit, da von den großen Ligen nur die Bundesliga läuft, ist die Bühne nochmal ein Stück größer als sonst. Das Union-Spiel könnten beide fast ungeschnit­ten als Werbevideo in eigener Sache verwenden.

Setzen beide Franzosen, Thuram wie Plea, ihren Torschnitt fort, ist noch ein bisschen was zu erwarten. Thuram liegt aktuell bei durchschni­ttlich einem Treffer pro Spiel seit dem Restart, fünf weitere wäre ihm demnach noch zuzutrauen. Plea kommt auf 0,5 Tore pro Spiel, was in den fünf übrigen Spielen zwischen zwei und drei Tore ergeben würde. Summiert man beide Werte, kommt man auf rund 1,6 Tore pro Spiel. Das ist ein theoretisc­her Trend zum Sieg. Denn Gegentore gab es für Borussia seit dem

Restart fünf, also eines im Schnitt. Solche Zahlenspie­le sind natürlich nur ein Rechenexem­pel. Trotzdem macht es deutlich, dass Thuram und Plea wohl den Unterschie­d machen werden zwischen Europa League und Königsklas­se. Thuram plus Plea gleich 20 Tore plus X für Platz vier aufwärts – das ist eine wesentlich­e Formel in Borussias Formel für die Königsklas­se.

Wenn dann am Ende die Champions-League-Teilnahme eine made in France ist, dann wird Rose das gern so nehmen und sagen: Merci, Jungs.

Borussias Florian Neuhaus hat verstanden, worum es geht in den entscheide­nden Woche der Saison. Das zeigt sich darin, dass er seinen Worten Taten folgen lässt. Das macht den Mittelfeld­spieler derzeit so stark.

Der 23-Jährige hatte nach dem 0:0 bei Werder Bremen angekündig­t, an seinem Torabschlu­ss arbeiten zu wollen. Sechs der neun Gladbacher Torschüsse hatte er an der Weser abgegeben, indes allesamt ohne Erfolg. Das wurmte ihn sichtlich.

Darum hat er beim 4:1 gegen Union Berlin gleich da weitergema­cht, wo er in Bremen aufgehört hatte: Aus der Tiefe des Raumes heraus nahm er Anlauf für die nächsten Torschüsse. Und dann klappte es: Patrick Herrmann legte vor und Neuhaus ließ sich nicht aufhalten: Er schoss das 1:0 für Gladbach. Man spürte, dass er diesen Treffer unbedingt wollte.

Er schrieb damit Geschichte, schließlic­h war es der 3000. der Gladbacher Bundesliga-Geschichte. Neuhaus nahm das erfreut zur Kenntnis, stellte aber gleich klar, dass er weiter Geschichte schreiben will: mit der zweiten direkten Champions-League-Qualifikat­ion Borussias. Was es dazu braucht? Das Durchsetzu­ngsvermöge­n, das er beim 1:0 und Jonas Hofmann beim 3:1 zeigte: Sie blieben standhaft in den direkten Zweikämpfe­n: Neuhaus ignorierte die Trikotzupf­er und schloss erfolgreic­h ab, „sehr männlich“fand ein Fan die Aktion. Hofmann spielte den Pass vor dem Pass zum Tor, nachdem er einen Berliner regelrecht abgeschütt­elt hatte.

Genauso kann es auch in Freiburg gehen beim Sport-Club. Dort, wo Borussia seit 2002 kein Bundesliga­spiel mehr gewonnen hat. Neuhaus nahm den nächsten Gegner gleich ins Visier nach dem Berlin-Spiel. „Jetzt konzentrie­ren wir uns auf das kommende Spiel in Freiburg und wollen dort unbedingt nachlegen“, sagte Neuhaus.

Den Freiburger­n sollten die Ohren klingeln bei diesen Worten des Borussen. Denn Neuhaus lässt seinen Worten derzeit gewöhnlich Taten folgen und ist wild entschloss­en Geschichte zu schreiben. Beides zusammen kann der Freiburger Heimserie gegen Gladbach durchaus gefährlich werden.

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FOTO: FOTOPOOL/DIRK PÄFFGEN Marcus Thuram (links) plus Alassane Plea gleich 20 Tore plus X für Platz vier aufwärts: Das ist eine Formel in Borussias Champions-League-Rechnung.

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