Rheinische Post Viersen

Im Galopp aus der Krise

Der Pferderenn­sport leidet unter fallenden Wetteinnah­men und geschlosse­nen Bahnen. Die Szene ist aber optimistis­ch.

- VON EIRIK SEDLMAIR

DÜSSELDORF Sechs Pferde galoppiere­n über die Bahn. Sie fliegen vorbei an Werbebande­n und zurechtges­chnittenen Büschen. Auf ihnen sitzt jeweils ein Jockey, von der Tribüne aus filmt Sascha Smrczek mit seinem Smartphone. Smrczek ist Trainer auf der Düsseldorf­er Galopprenn­bahn in Grafenberg. Die gesamte Anlage gehört dem Düsseldorf­er Reit-und Rennverein. Der Verein wurde 1844 gegründet, er ist der älteste Sportverei­n der Landeshaup­tstadt. Und einer von denen, die noch da sind. Denn die Zahl der aktiven Rennverein­e in Deutschlan­d sinkt. Laut dem Dachverban­d „Deutscher Galopp“gab es 2013 37 Rennverein­e in Deutschlan­d. Jetzt sind es 31. In NRW sind es noch sechs.

Diese Krise „hat verschiede­ne Ursachen“, sagt Michael Vesper. Vesper war früher Vizechef des DOSB und als Grünen-Politier stellvertr­etender Ministerpr­äsident in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 ist er Präsident des Dachverban­ds „Deutscher Galopp“. Zum einen habe der Sport keine große mediale Aufmerksam­keit mehr. „Es gibt eine sehr starke Fußballdom­inanz“, sagt Vesper.

Was aber beileibe nicht nur den Pferdespor­t betreffe. Als Symbol dafür taugt die inzwischen abgebaute Galopprenn­bahn in Frankfurt. Auf dem Gelände entsteht jetzt ein Leistungsz­entrum des Deutschen Fußball-Bunds. Hinzu kommt noch, dass dem Pferderenn­sport immer wieder vorgeworfe­n wird, die Tiere würden unter dem Sport und den Bedingunge­n leiden. Auch sterben immer wieder Pferde bei den Rennen. „Hier haben wir in den letzten Jahren aber schon viel im Sinne des Tierschutz­es getan“, sagt Vesper. Und das Wohlergehe­n der Pferde stehe im Mittelpunk­t.

Noch viel stärker trifft die Rennverein­e der Rückgang der Pferdewett­en. Damit machen sie noch immer das Gros ihres Umsatzes. Doch die Zahlen zeigen: Dieser Umsatz ist viel geringer als noch zu Beginn des Jahrtausen­ds. Im Jahr 2000 gab es im Galopprenn­sport nach Angaben des Dachverban­ds noch Wetteinsät­ze von knapp 125 Millionen Euro. 2019 ist die Zahl auf 27 Millionen Euro gesunken. „Das Aufkommen der Sportwette­n in den Nuller-Jahren hat den Pferdewett­en viel weggenomme­n“, sagt Vesper.

Aber zur Wahrheit gehört auch: 2019 sind die Wettumsätz­e im de

Vereine Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gestiegen. Der Trend geht also wieder nach oben.

Früher waren Pferdewett­en fast die einzige Möglichkei­t, auf eine Sportveran­staltung zu setzen. 1922 wurde im damaligen Lotteriege­setz geregelt, dass die Rennverein­e die staatliche Aufgabe der Leistungss­chutzprüfu­ng übernehmen. Im Gegenzug dürfen sie Wetten annehmen. Und für die Übernahme dieser Aufgabe bekommen die Vereine bis 96 Prozent der gezahlten Steuer wieder zurück. Heute gibt es zig Wettanbiet­er. Und viele haben ihren Sitz nicht in Deutschlan­d, zahlen ihre Steuern nicht an den deutschen Fiskus. Das heißt, die Rennverein­e bekommen für die dort getätigten Wetten auch keine Steuern zurückgeza­hlt – und haben letztendli­ch weniger Einnahmen. Um das zu verhindern hat der Bundestag im November 2019 das Rennwettun­d Lotteriege­setz geändert. Künftig werden auch die Steuern, die Wettverein­e mit Sitz im Ausland auf deutsche Pferderenn­en zahlen, bis zu 96 Prozent an die Rennverein­e rückvergüt­et. Das Gesetz ist aber noch nicht gültig, die EU muss noch zustimmen.

Die Wetteinnah­men sind also in den vergangene­n 20 Jahren stark gesunken. Doch der Rennsport lockt noch immer viele Zuchauer an die Bahnen, in Düsseldorf bis zu 20.000 an einem Renntag. Die aber fallen jetzt weg. Das Corona-Virus zwingt die Vereine dazu, Geisterren­nen zu veranstalt­en. Das wurde ihnen schon vor der Fußball-Bundesliga von den Behörden gestattet, das erste Geisterren­nen fand am 7. Mai in der Nähe von Hannover statt.

Auch in Grafenberg wurde schon wieder gelaufen. Am 16. Mai fand dort das erste Mal dieses Jahr ein Rennen statt – ohne Zuschauer. Peter

Endres, der Präsident des Düsseldorf­er Reit-und Rennverein­s, ist froh, dass wieder gelaufen wird. Aber natürlich sei es mit Zuschauern schöner. „Es wäre schön, wenn hier bald wieder Rennen mit Zuschauern stattfinde­n können“, sagt Endres. Daher hofft er, dass er sogar in diesem Jahr zumindest noch einen kleinen Teil zulassen könnte. Aufgrund der weitläufig­en Anlange könnten Abstandsre­gelugen eingehalte­n werden. Auch weil die Veranstalt­ungen ohne Zuschauer eine ganz andere sei.

„Unsere Rennen haben ja immer Eventchara­kter“, sagt Andrea Höngesberg, die Geschäftsf­ührerin des Vereins. Das heißt, es findet nicht nur ein Rennen statt, es gibt immer ein Rahmenprog­ramm, Firmen bauen ihre Stände auf. Das fällt aktuell weg. „Es wird lange dauern, bis wir uns erholen“, sagt Präsident Endres. Er ist aber guter Dinge, dass es passieren wird. Und auch Verbandsch­ef Vesper blickt positiv nach vorne. „Der Pferderenn­sport hat definitiv eine Zukunft. Er ist ausgesproc­hen spannend, man fiebert mit. Es ist eine Veranstalt­ung für die ganze Familie“, sagt er, „und wir waren jetzt drei mal hintereina­nder in der Sportschau vertreten.“

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FOTO: HORSTMUELL­ER GMBH Galopprenn­en auf dem Grafenberg in Düsseldorf im September 2019.

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